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Lektion 6: Das Johannesevangelium
Verfasserfrage
Verhältnis zu den Synoptikern
Literarkritische Integrität
- Quellen, Umstellung und Redaktion
Verhältnis zu den Johannesbriefen und zur Johannesoffenbarung
Datierung des Johannesevangeliums
Lokalisierung
Situation der Gemeinde
Grobgliederung
Feingliederung
Theologie der johanneischen Schriften
Verfasserfrage
Hat der Zebedaide Johannes in hohem Alter (zur Zeit
Trajans; 98-117) in Ephesus das Evangelium geschrieben? (Irenäus,
haer III 1,1 = Euseb, h.e. V, 8,4). Diese Tradition läßt sich
nicht auf die Zeit vor Irenäus zurückverfolgen. Papias erwähnt
einen Apostel Johannes und einen Presbyter Johannes, identifiziert aber
keinen von beiden ausdrücklich mit dem Verfasser des 4. Evangeliums.
Innere Kritik ist hier entscheidend dafür, daß der Verfasser
kein Augenzeuge war, vornehmlich sind die Divergenzen der Darstellung
des Lebens Jesu gegenüber den Synoptikern
zu bedenken:
Synoptiker |
Johannes |
Tempelreinigung am Ende |
Tempelreinigung am Anfang
|
Mk 11,15f.; Mt 21,12f.; Lk 19,45f. |
Joh 2,12-22 |
eine Reise nach Jerusalem |
drei Reisen nach Jerusalem |
Mk 11,1; Mt 21,1; Lk 19,28 |
Joh 2,13; 5,1; 7,1o |
Reich-Gottes-Verkündigung |
Selbstverkündigung Jesu |
Lk 11,20 |
Ich-bin-Worte |
- |
Johanneischer Dualismus |
- |
Gesandten-Christologie |
Gleichnisse |
Bildworte, keine Parabeln |
futurische Eschatologie |
überwiegend präsentische Eschatologie |
Verhältnis
zu den Synoptikern
Berührungen sind bei folgenden Erzählungen festzustellen
|
Johannes |
Synoptiker |
Täufer |
1,19-34 |
Mk 1,2-8; Lk 3,1-20 |
Tempelreinigung |
2,13-16 |
Mk 11,15f. parr |
Heilung des Sohnes d
königl. Beamten |
4,46-54 |
Lk 7,1-10/Mt 8,5-13 |
Speisung der 5000 |
6,1-15 |
Mk 6,34-44 parr |
Seewandel |
6,16-21 |
Mk 6,45-52 |
Petrusbekenntnis |
6,67-71 |
Mk 8,27-30 |
Salbung in Bethanien |
12,1-8 |
Mk 14,3-9 |
Einzug in Jerusalem |
12,12-19 |
Mk 11,1-11 |
Verratsankündigung |
13,21-30 |
Mk 14,18-21 |
Verleugnungs-
ankündigigung. |
13,36-38 |
Mk 14,26-31 |
Fischfang |
21,1-14 |
Lk 5,1-11 |
Passionsgeschichte |
durchgehend |
|
Folgende Berührungen in der Logientradition sind
zu erwähnen:
Tempelwort |
Joh 2,19 |
Mk 14,58 |
Prophetenwort |
Joh 4,44 |
Mk 6,4 |
Vater und Sohn |
Joh 3,35 |
Lk 10,22/Mt 11,27 |
Wer sein Leben liebt |
Joh 12,25 |
Mk 8,35 parr |
Knecht - Herr |
Joh 13,16 |
Mt 10,24 |
Wer einen aufnimmt |
Joh 13,20 |
Mt 10,40; Mk 9,37 |
Becherwort |
Joh 18,11 |
Mk 14,36; Mt 26,42 |
Sündenvergebung |
Joh 20,23 |
Mt 18,18 |
Dieser Befund läßt mehrere Möglichkeiten
der Deutung zu:
Es gibt nur gemeinsame Traditionen und eine gemeinsame Passionsgeschichte
(Becker)
Vorjoh Tradition kannte (einen der) Synoptiker (Dauer, Die Passionsgeschichte
im Johannesevangelium, passim),
Joh 1-20 kannte Synoptiker (Neirynck, John and the Synoptics, passim;
Schnelle, Johannes und die Synoptiker, passim).
Joh 1-21 auf der Stufe der endgültigen Redaktion kannte Synoptiker
(Thyen, Art. Johannesevangelium, 208)
Literatur zur Weiterarbeit:
Becker, Jürgen, Das Evangelium nach Johannes,
ÖTK 4, 1.2., Gütersloh, Würzburg 31991.
Dauer, Anton, Die Passionsgeschichte im Johannesevangelium. Eine traditionsgeschichtliche
und theologische Untersuchung zu Joh 18,1-19,30, StANT 30, München
1972.
Neirynck, Frans, John and the Synoptics, in: M. de Jonge (Hg.), Lþvangile
de Jean, BEThL 44, Leuven 1977, 73-106, wiederabgedruckt in: F. Neirynck,
Evangelica II, Collected Essays 1982-1991, BEThL 89, Leuven 1991, 365-398.
Schnelle, Udo, Johannes und die Synoptiker, in: F. Van Segbroeck u.a.
(ed.), The Four Gospels 1992, FS F. Neirynck, BEThL 100, Bd. III, Leuven
1992, 1799-1814.
Thyen, Hartwig, Art. Johannesevangelium, TRE 17, 1988, 200-225.
Man darf Johannes nicht mit synoptischen Maßstäben
messen und von ihm verlangen, er hätte alles an synoptischen Traditionen
aufnehmen müssen, und man darf vor allem nicht verlangen, er stehe
in sklavischer Treue zu seiner Quelle. Auf Schritt und Tritt zeigt sich,
wie Johannes alles, was er in die Hand bekommt, in seine eigene Art der
Darstellung umschmilzt. In der Passionsgeschichte ist die Nähe auch
eine Nähe des nicht ohne weiteres zu ändernden Handlungsganges.
Literarkritische
Integrität - Quellen, Umstellung und Redaktion
Textkohärenz des Johannesevangeliums scheint nicht in allem
gegeben.
Ausgangspunkt der neueren Diskussion ist der große Johanneskommentar
von Bultmann, der einen Dreistufenplan der Entstehung zeichnet:
- Zugrundeliegende Quellen Passionsgeschichte, Semeiaquelle, Redenquelle
- Evangelium Kap. 1-20, mit einer teilweise in Unordnung geratenen Textfolge
- kirchliche Redaktion.
Literatur zur Weiterarbeit:
Bultmann, Rudolf, Das Evangelium des Johannes,
(1941) Göttingen 211986.
Quellenhypothesen
Die Forschungslage divergiert: am ehesten hält sich die vorjoh
Passionsquelle; von einigen geteilt, u.a. v. J. Becker, wird die Annahme
einer Semeiaquelle, zumeist abgelehnt wird die Hypothese einer Quelle
von Offenbarungsreden.
Semeiaquelle Der Terminus wurde aufgrund von Joh 2,11; 4,54 geprägt;
hierzu gehörten wenigstens die Wunder 2,1-11 und 4,46-54 sowie der
erste Buchschluß 20,30f., den der Evangelist problemlos als eigenen
Schluß verwenden konnte. Fortna erweiterte die Zeichenquelle durch
Hinzunahme der Passionsgeschichte zum Zeichen-Evangelium.
Redenquelle hierzu wurden u.a. die ursprüngliche Fassung
des Prologes Joh 1,1-18 sowie die Ich-bin-Worte gerechnet. Genaue Aufstellung
bei Schnelle, Einleitung, 559 Anm 165. Kriterium der Ausgrenzung: Der
Stil der Quelle ist nicht Prosa sondern Poesie (parallelismus membrorum).
Literatur zur Weiterarbeit:
Fortna, Robert T., The Gospel of Signs, MSSNTS
11, Cambridge 1970.
Schnelle, Udo, Einleitung in das Neue Testament (UTB 1830), Göttingen
1994.
Die Quellenhypothesen werden in dieser Bibelkunde nicht
weiterverfolgt, zumal sich methodische Bedenken erheben: Es gelingt keineswegs
mit dem erforderlichen Maß an Sicherheit, zwischen dem Stil des
Evangelisten und dem der vermuteten Vorlagen zu unterscheiden.
Blattvertauschungshypothese Kap. 4-7
Als ursprüngliche Reihenfolge dieser Kapitel ist oft die Folge
4; 6; 5; 7; vorgeschlagen, denn in Kap. 4,54 ist Jesus in Galiläa,
nach Kap. 6,1 begibt sich Jesus auf die andere Seite des Sees, während
er 5,1;7,1 in Jerusalem ist! Schon der Syrer Tatian (120 - 172 n. Chr.)
hat Joh 5 und 6 in der Reihenfolge vertauscht. Zusätzlich stellen
einige, so u.a. Wilckens, 7,15-24 an das Ende von Kap. 5, ausgehend davon,
daß in Kap. 5 am Ende Jesus über die Heilige Schrift Israels
im Verhältnis zu seiner eigenen Person spricht und in Kap. 7,15-24
die Menschen fragen, wie er denn die Schrift kennt, ohne daß er
das gelernt hat. Ferner ist in Joh 7,23 auf die Sabbatheilung von Kap.
5 angespielt.
Gegenargumente:
* Die Handschriften kennen nur den vorliegenden Text.
* Sprunghafte Übergänge sind bei Johannes keine Ausnahme (Joh
4,3.43; 7,9f.; 10,40; 11,54).
* Johannes hat den Stoff weniger nach chronologischen, sondern nach theologischen
Gesichtspunkten angeordnet.
Die Umstellung von 7,15-24 ist nicht zwingend: Wenn
Jesus die Schrift auf die eigene Person bezieht (5,36-47), dann zieht
das nicht eine Verwunderung (Joh 7,15), sondern Ärger nach sich.
Umgekehrt schließt Joh 7,15-24 gut an Joh 7,14 an: Das absolut gebrauchte
didaskein in Joh 7,14 besagt, daß Jesus vergleichbar den Schriftgelehrten
Thora auslegt bzw. Thora als Einzelweisung erteilt, dementsprechend ist
denn auch in V. 17 vom Tun des Willens Gottes die Rede. Daß er ähnlich
wie ein Schriftgelehrter im Tempel Weisung erteilt, obwohl er die dazu
erforderliche Vorkenntnis nicht hat, das ist es, worüber die Leute
sich wundern, und dieser Verwunderung setzt Jesus die Behauptung entgegen,
seine Lehre stamme von Gott selbst, angesichts dessen ist die fehlende
Ausbildung belanglos.
Ferner hat man die Umstellung von Joh 3,31-36 zwischen 3,12 und 3,13 vorgeschlagen
mit dem Argument, der Täufer könne nicht eine solch lange christologische
Rede halten. Doch liegt Joh 3,31-36 auf der Linie dessen, daß der
Täufer Zeugnis für Jesus ablegt, s. Joh 1,7.15.29-34.
Joh 15-17 sekundärer Nachtrag.
Die Notiz des Weggehens Joh 14,31c hat irritiert und zur Frage nach einer
möglichen späteren Ergänzung von Joh 15 - 17 Anlaß
gegeben. Doch wäre dieser Ergänzer in der Anordnung von Joh
16 - 17 nach Joh 14,31 durchaus ungeschickt vorgegangen. Möglich
ist auch eine andere Erklärung: Daß zwischen dem letzten Mahl
Jesu mit seinen Jüngern und der Szene in Gethsemane noch weitere
Worte Jesu gesprochen wurden, wissen auch Markus und Matthäus zu
berichten. Zudem kann man vergröbernd formulieren: Joh 13,31-14,31
formulieren, was Jesus, und nur er (vgl. Joh 14,6.8-11), für die
Seinen tut, wenn sie ihn lieben (Joh 14,2f.15-22), Joh 15-16 formulieren
im Hinblick auf die Joh 14,30f. ins Auge gefaßte Situation der Bedrängnis,
was die Seinen tun sollen (vgl. die Stichworte bleiben Joh
15,5 und einander lieben Joh 15,12), unter welchen Bedingungen
sie dies tun sollen (Joh 15,18-16,4) und daß sie voll Trauer sein
werden. In einem Bild aus dem Bereich der Musik sei es gesagt: Man kann
Joh 15 - 16 als großangelegte Variation zu dem Wort von dem Ärgernis
Mk 14,27 bzw. zu dem Thema Bewährung oder Versagen in der Verfolgung
in Mk 14,36-31 insgesamt lesen: Im Bleiben vermeidet man das
Versagen, und der Grund des Verleugnens des Petrus, die Angst im Angesicht
der Welt, wird in Joh 16,33 bearbeitet. Daß in Joh 15 eine erneute
Redeeinleitung fehlt, dazu vgl. Joh 10,1; daß exälthen (Joh
18,1) Mk 14,26 aufzugreifen scheint (dort ebenfalls exälthon), erinnert
an anderweitige Umstellungen traditioneller Stoffe durch Johannes, u.a.
die Gethsemaneperikope betreffend.
Joh 21 und das Problem der kirchl. Redaktion
Der kirchlichen Redaktion rechnete man zumeist Joh 21 zu sowie futurische
Eschatologie und Sakramentenlehre (Joh 3,5 Wasser und Geist
statt Geist; Joh 6,51c-59; 19,34b.35), ebenfalls die Aussagen
über den sog. Lieblingsjünger.
Begriffsklärungen:
Futurische Eschatologie bedeutet, daß über das ewiges Heil
des Menschen am Ende der Tage durch das Jüngste Gericht entschieden
wird.
Gegenwärtige Eschatologie: Bereits in diesem Leben, durch das Zum-Glauben-Kommen
des Menschen, geschieht das, was über sein Heil entscheidet.
Belege futurischer Eschatologie: Joh 5,28.29; 6,39.40.44.54; 12,48
Für die sekundäre Herkunft von Joh 21 besteht weitgehend Konsens.
Argumente:
* Doppelter Buchschluß in 20,30f. und 21,24f.
* Andere Zeichnung des Petrus: Er wird ins Hirtenamt eingesetzt; vorher
in Kap. 20 war er kein besonderer Offenbarungsempfänger.
* Nur in 21,24f. wird der Lieblingsjünger zum Verfasser des Evangeliums
gemacht.
* Die Epiphanie in Galiläa ignoriert die Erscheinung Jesu vor den
Jüngern Joh 20,19-29.
* Nach 20,29 sollte kein weiterer Erscheinungsbericht mehr stehen.
In den anderen Fragen hingegen ist ein Konsens nicht erreicht.
Als textkritisch sekundäre Passagen gelten Joh 5,3b.4; 7,53-8,11,
als Glosse gelegentlich Joh 4,2 (Die Stelle soll Joh 3,22; 4,1 ausgleichen
mit dem synoptischen Jesusbild, das von einer Tauftätigkeit Jesu
schweigt).
Verhältnis
zu den Johannesbriefen und zur Johannesoffenbarung
- Stammen die Johannesbriefe vom Verfasser des Evangeliums oder liegt
eine Schultradition vor?
- In welcher Reihenfolge sind die Schriften geschrieben?
- Wie sind Gemeinsamkeiten mit und Unterschiede zur Johannesoffenbarung
zu bewerten?
1. Die Frage nach einer Schriftstellerpersönlichkeit
oder einer Schule.
Einerseits verbinden gemeinsame Theologie, gemeinsamer Stil, gemeinsamer
Wortschatz das Evangelium und die Briefe. An Motiven sind zu nennen: Einheit
von Vater und Sohn (2 Joh 9; Joh 10,30); Fleischwerdung Christi (2 Joh
7; Joh 1,14); Dualismus zwischen Gott und Welt (2 Joh 7; Joh 14 - 17);
aus Gott gezeugt sein (1 Joh 2,29; 3,9; Joh 1,13); Erkennen Gottes
(1 Joh 2,3-5; Joh 1,10); Bleiben in Gott, in Jesus, in der
Wahrheit und in der Lehre (2 Joh 2.9; 1 Joh 2,6; Joh 8,31).
Andererseits zeigen sich Eigenheiten der einzelnen Schriften: Die Sühnetodvorstellung
wird erst im 1. Johannesbrief entfaltet. Vor allem aber: Das wir
in Joh 21,24f. verweist selbst auf einen Kreis von theologisch interessierten
Christen. Ethische Aussagen werden nicht universalistisch, sondern gruppenbezogen
getroffen (Gebot der Bruderliebe 2 Joh 5f.; 1 Joh 2,78-11; Joh 13,34f.).
2. Die Reihenfolge der einzelnen Schriften ist umstritten.
Sie differiert in der Frage, wie die in 1 Joh 2,19 zu erschließende,
wohl durch christologische Kontroversen veranlaßte Spaltung innerhalb
der johanneischen Kreises in die Geschichte der johanneischen Literatur
einzuordnen ist.
Es stehen sich zwei Positionen gegenüber:
- JohEv; 1 Joh; 2 Joh; 3 Joh (Ph. Vielhauer u.a.)
- 2 Joh; 3 Joh; 1 Joh; Joh (G. Strecker; U. Schnelle)
Als Argument für die Reihenfolge JohEv; 1 Joh;
2 Joh; 3 Joh werden genannt (Ph. Vielhauer, Geschichte der urchristlichen
Literatur):
- der erste Johannesbrief zeichnet sich gegenüber
dem Johannesevangelium durch eine Verkirchlichung und durch
die Aufnahme allgemeinchristlicher Gedanken (Sühnetodtheologie;
futurische Eschatologie) aus.
- Umgekehrt werden johanneische Hauptgedanken (Joh
1,18; 5,24) aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgelöst,
desintegriert.
- Die Auseinandersetzung wird nicht mehr wie im Johannesevangelium
um das Verhältnis zum Judentum geführt, sondern um die Christologie.
Als Argumente für die Reihenfolge 2 Joh; 3 Joh;
1 Joh; Joh werden genannt (U. Schnelle, Einleitung):
- 3 Joh 9 bezieht sich auf 2 Joh zurück.
- 1 Joh greift an keiner Stelle erkennbar auf Joh zurück, sondern
bezieht sich auf die in 2 Joh 7 erstmals sichtbare Problematik der doketischen
Irrlehrer.
- Joh ist eine umfassende Bearbeitung dieser Irrlehrerproblematik.
Literatur zur Weiterarbeit:
Vielhauer, Philipp, Geschichte der urchristlichen
Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen
Väter, GLB, durchges. Nachdr. Berlin, New York 1985.
3. Zum Verhältnis des Johannesevangeliums und der Johannesbriefe
zur Johannesoffenbarung vgl. heute Taeger:
Er erkennt Verbindungslinien zwischen Offb und deuterojohanneischem Denken,
d.h. in den Johannesbriefen und der von ihm angenommenen Redaktionsschicht
des Johannesevangeliums:
- Futurische Eschatologie in Joh 5,28f.; 6,39.40.44.54;
12,48; 1 Joh 2,28; 3,2 u.ö.
- Gerichtsaussagen, Antichristvorstellung,
- Logosmotivik (Joh 1,1-18 vgl. Apk 19,13).
- Siegesthematik (Joh 19,30; Apk passim).
- Einzelmotive wie Lebenswasser (Joh 7,17)
Literatur zur Weiterarbeit:
Taeger, Jens Werner, Johannesapokalypse und
johanneischer Kreis. Versuch einer traditionsgeschichtlichen Ortsbestimmung
am Paradigma der Lebenswasser-Thematik, BZNW 51, Berlin, New York 1989.
Doch wird dagegen auf Unterschiede in der Sprache, der
Geschichtsschau, der Bedeutung des AT, der Christologie, der Ekklesiologie
und der Denkstruktur verwiesen, vgl. schon Dionysios von Alexandrien,
bei Euseb, h.e. VII 25,7-27.
Datierung des Johannesevangeliums
Eine relative Spätdatierung ist schon in der altkirchlichen
Tradition vorausgesetzt, wo es heißt, als letzter der vier Evangelisten
habe Johannes im hohen Alter sein Evangelium geschrieben.
Heutiger Ansatz: 100 - 110 n. Chr. Der Ausschluß der Christen aus
der Synagoge ist in Joh 9 vorausgesetzt; unsicher ist dagegen, ob sich
der durch R. Samuel d. Kl. eingefügte »Ketzersegen« in
das Achtzehnbittengebet wirklich auf die (Juden-)Christen bezieht; genauso
unsischer ist, ob die vielbeschworene Synode von Jabne = Jamnia, zumeist
auf ca. 90 datiert, überhaupt je getagt hat. Bekannt geworden ist
das Joh in der Kirche sehr schnell, bereits Justin setzt es voraus, ebenso
aus der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts der Barnabasbrief, vermutlich
auch die Ignatianen, ebenso Papyrus Egerton I., ein Fragment, in dem johanneische
und synoptische Texte kombiniert werden. Der Gnostiker Herakleon hat in
der Mitte des 2. Jhdts. n. Chr. einen Kommentar zum Johannesevangelium
geschrieben.
Klaus Berger, Im Anfang war Johannes. Datierung und Theologie des vierten
Evangeliums, Stuttgart 1997, hat diese Datierung bestritten: Der Tod des
Petrus ist in Joh 21 schon vorausgesetzt, aber es fehlen jeder Hinweis
auf die konkrete Zerstörung Jerusalems durch die Römer (Joh
2,19 wird dem nicht gerecht; Joh 11,48 ist politisches Kalkül, jedem
Hellsichtigen zu jeder Zeit zugänglich und vermutlich in der Tat
der Grund der Auslieferung Jesu gewesen), so ist JohEv zwischen 67 und
70 zu datieren. Der vermeintliche Antijudaismus und die hohe Christologie
können die Spätdatierung nicht erzwingen; das Wort vom Synagogenbann
deutet Berger i.S. der allgemeinen Verfolgung Lk 6,22; es geht um
ein Anfangsstadium, in dem die Trennung von der Synagoge gerade von dieser
selbst vollzogen wird" (Berger, Im Anfang war Johannes, 83). Die
gemeindliche Binnenstruktur ist noch völlig unentwickelt, während
der echte Paulus in 1 Kor 12,28 und die Pastoralbriefe schon Hierarchien
kennen und Mt 23,8-12 dagegen angehen muß.
In der Tat weist einiges an vorjohanneischer Tradition auf hohes Alter
(Joh 2,20). Gleichwohl ist es m.E. nicht angebracht, Joh. fast zeitgleich
mit Markus zu datieren. Man spürt der joh Darstellungsweise den starken
Prozeß der Durchgestaltung im joh. Sinne an. Die joh. Rede vom Synagogenbann
zielt auf eine konkrete behördliche Beschlußlage in Israel,
nicht allgemein auf die Menschen als Subjekte der Verfolgung.
Ferner ist die altkirchliche Spätdatierung unerfindbar, weil nicht
zu motivieren. Gemeindliche Binnenstrukturen sind auch um 100 n. Chr.
noch (regional unterschiedlich) variabel, so daß sich eine Frühdatierung
auch von daher nicht erzwingen läßt. In dieser Bibelkunde wird
deshalb der relative Konsens der Entstehung um 100 - 100 n. Chr. weiterhin
vorausgesetzt.
Lokalisierung:
Das Nebeneinander der Kenntnisse judäischer Topographie (Vgl.
Joh 4,5; 5,2; 9,7; 10,23; 11,18) und der Erklärung jüdischer
Sitten (Joh 2,6; 11,55; 18,20.28b; 19,40b) legt die Annahme nahe, daß
Einzeltraditionen, die im Mutterland Israel entstanden sind (dem Wirkungsbereich
Jesu), in eine Gesamtdarstellung einflossen, die außerhalb Israels
entstanden ist. Diskutabel sind Syrien und Kleinasien.
Für Syrien könnte die Nähe zur Gnosis, zu den Oden Salomos
und den Briefen des Ignatius von Antiochien sprechen, für Kleinasien
die altkirchliche Tradition, eine gewisse Nähe zur paulinischen Theologie
sowie die Wirkungsgeschichte des Johannesevangeliums bei den Montanisten,
einer Gruppe, um 170 in Phrygien entstanden, die u.a. mit Rückgriff
auch die sog. Parakletensprüche Joh 14,26 die behauptete Autorität
ihrer ekstatischen, zur rigorosen Frömmigkeitspraxis mah-nenden Prophetie
legitimierten. Sowohl für Syrien als auch für Kleinasien sind
jüdische Gemeinden bezeugt.
Klaus Berger vertritt die Hypothese der Verfasser des JohEv sei
der Herkunft nach Alexandriner, er habe Kontakt mit dem Christentum in
Palästina, vielleicht in Damaskus gewonnen, dort auch mit dem frühen
Paulus, und habe dann vielleicht auch Berührung mit Ephesus gehabt.
Vielleicht ist er gegen Ende seines Lebens dann nach Alexandrien zurückgekehrt
- das Johannesevangelium ist in Ägypten früh bezeugt (54).
Daß entweder der Evangelist oder seine Traditionen oder beide gewandert
sind, ist als Hypothese nicht neu. Gesichertes Wissen ist jedoch in keinem
Fall zu erzielen.
Situation der Gemeinde:
Die johanneische Gemeinde sieht sich selbst durch Haß und Verfolgung
bedroht 15,18; 16,2; vermutlich sind ihre Mitglieder bereits aus der Synagoge
ausgeschlossen (Joh 9,22; 12,42; 16,2).
Spannungen zwischen den Christen und den nicht an Jesus glaubenden Juden
sind auch in den anderen Evangelien festzustellen, und doch ist jeweils
der Hauptpunkt vor allem der jüdischen Angriffe verschieden: Matthäus
schärft das Tun des Willens Gottes ein, weil er durch christliche
Laxheit den Gehorsam gefährdet sieht, nach dem sich christliche Gemeinde
von ihren jüdischen Gesprächspartnern und Kontrahenten zu Recht
fragen lassen muß. Lukas muß sich gegen den angesichts der
weitgehenden Abrogation der Thora naheliegenden Vorwurf wehren, die Kontinuität
zur Heilsgeschichte Israels werde von den Christen zu Unrecht beansprucht.
Johannes muß einen anderen jüdischen Vorwurf abwehren:
Die nicht an Jesus glaubenden Juden sahen durch das Bekenntnis zu Jesus
als Gottessohn (Joh 10,30.33) die Einzigkeit des Gottes Israels gefährdet
und das Glaubensbekenntnis Höre Israel Dtn 6,4-9 verletzt.
Jesus mache sich selbst Gott gleich (Joh 5,18); die behauptete Legitimität
Jesu besteht nicht, seine Wundermacht stammt nicht von Gott (Joh 9,25-34),
sondern von einem Dämon (10,20), ist also todeswürdig. Auch
entspricht die Frömmigkeitspraxis der joh Gemeinde nicht dem Judentum
(Joh 7,14-24).
Die Gemeinde ist mehrheitlich heidenchristlich (Jüdische Sitten werden
für die Leser erklärt: Joh 2,6; 11,55; 18,28b; 19,40) und zu
einem gewissen Teil des Aramäischen unkundig (aramäische Ausdrücke
werden übersetzt: Rabbi 1,38; Messias 1,41; Kephas 1,42; Rabbuni
20,16).
Das Johannesevangelium setzt geduldige Hörer oder Leser voraus. Zu
der naheliegenden Frage, In welchem geistigen Milieu es mit seiner symbolreichen
Sprache rezipiert werden kann, vgl. aus Qumran der Lobpreis des Frommen
darüber, daß ihm Gott Einsicht in seine Geheimnisse verliehen
hat (1QH XIX 3,14; XIX 15-27a; XIX 27b-XX,3 u.ö.).
Grobgliederung
1,1-18 Prolog
1,19-12,50 Das Wirken des Offenbarers vor der Welt
1,19-51 Das Zeugnis des Täufers; die ersten Jünger
2 Weinwunder; Tempelreinigung
3 Jesus und Nikodemus; das letzte Zeugnis des Täufers
4 Jesus und die Samaritanerin; die Heilung des Königlichen
5 Die Heilung des Blinden am Teich Bethesda
6 Speisung, Seewandel, Lebensbrotrede
7 Rede vom Lebenswasser
8,12-59 Jesus als das Licht der Welt
9 Die Heilung des Blindgeborenen
10 Jesus der gute Hirte
11 Die Auferweckung des Lazarus und der Todesbeschluß gegen Jesus
12 Salbung in Bethanien, Einzug in Jerusalem, Jesu Verherrlichung und
der Unglaube des Volkes
13,1-20,29 Der Offenbarer und seine Gemeinde
13,1-20 Fußwaschung
13,21-30 Ankündigung des Verräters
13,31-16,33 Abschiedsreden
17 das hohepriesterliche Gebet
18 - 19 Passion
20 Ostern
20,30f. Die Zweckbestimmung des Johannesevangeliums
21 Nachtragskapitel
Feingliederung
1,1-18 Prolog
Dem Prolog liegt vermutlich ein Text zugrunde, den der Evangelist
um V. 6-8.12c.13.15.17.(18?) erweitert hat (die Literarkritik ist hinsichtlich
der Täuferzusätze V. 6-8.15 von einem breiten Konsens getragen,
ansonsten im einzelnen umstritten). Religionsgeschichtliche Voraussetzungen
sind vor allem Aussagen zur Vorzeitlichkeit und Schöpfungsmittlerschaft
der Weisheit (Prov 8,22-31; Sir 24) und ihrer doxa (SapSal 7,25) und zum
logos als des Mittlers des Schöpfers (vgl. Ps 33,6 LXX u.a.). Die
Präexistenz Jesu von Nazareth ist auch in Phil 2,6-11; Hebr 1,1-4;
(und 2 Kor 8,9) vorausgesetzt. Im jetzigen Kontext des Johannesevangeliums
ist der Prolog eine Lektüreanweisung, die den Leser in das vom Evangelisten
intendierte Verstehen der Person Jesu und ihrer Relationen zum Vater,
zur Schöpfung, zum Täufer, zum ungläubigen Kosmos und zur
glaubenden Gemeinde (U. Schnelle, 45) einführt:
1. Das Attribut monogenes (V. 14.18) betont die Einzigartigkeit des Verhältnisses
Jesu zum Vater. Von einem Hervorgehen des logos aus Gott spricht der Text
nicht. Zur Wendung en arche vgl. Gen 1,1 (dort ebenfalls zu Beginn des
Textes); Prov 8,23.
2. Zur Schöpfungsmittlerschaft Jesu vgl. Hebr 1,1-4; Kol 1,15f.,
zur Schöpfungsmittlerschaft der Weisheit s.o.
3. Der Täufer, nicht selbst Gegenstand legitimer Verehrung (V. 8),
wird als Zeuge für Jesu Heilswirken (V. 7.8b) wie für Jesu Präexistenz
und höheren Rang (V. 15) in Dienst genommen; daß Menschen durch
ihn zum Glauben kommen sollen, erfüllt sich in Joh 1,35-40.
4. Dem kosmos hat sich der logos von Anfang an nicht unbezeugt gelassen.
5. Die glaubende Gemeinde sind diejenigen, die in Jesus von Nazareth (und
nur in ihm, vgl. V. 18!) den Offenbarer Gottes erkennen und anerkennen.
Der Inhalt der genannten Offenbarung ist i.w., daß er, Jesus, eben
der Offenbarer ist, das daß dieser Erkenntnis ist die
göttliche charis.
1,19-12,50 Das Wirken des Offenbarers vor der Welt
1,19-34 Zeugnis des Täufers
Anders als in Mk 6,14-16 wird nicht die Identität Jesu, sondern
die des Täufers geklärt. Er wird als Zeuge für Jesus Christus
in Dienst genommen, für die Heilsbedeutung des Todes Jesu (1,29)
wie für seine Präexistenz (1,30). Des Täufers aktiver Anteil
an der Taufe Jesu wird gegenüber den Synoptikern reduziert.
1,35-51 die ersten Jünger
Singulär ist die Behauptung, Andreas und der zweite Jünger
(wohl der sog. Lieblingsjünger) seien von Täuferjüngern
zu Jüngern Jesu geworden. Zu V. 42 vgl. Mt 16,18. Die Jungfrauengeburt
spielt für das Johannesevangelium ähnlich wie für Mk 6,3
und für Paulus keine Rolle. - Die Berufung des Nathanael wird transparent
hin auf die Situation des werdenden Christen erzählt, vgl. auch Joh
20,29.
2,2-11 Weinwunder zu Kana
Zur Wendung meine Stunde vgl. Joh 12,23; 13,1; vgl. aus
der synoptischen Tradition Mk 14,41. Aus der Offenbarung der Herrlichkeit
des Inkarnierten im Wunder entsteht Glaube (vgl. aber auch Joh 2,23-25;
4,48).
Zum Verhältnis zwischen Jesus und seinen Angehörigen vgl. Mk
3,20f. Daß sich Jesu Angehörige (wenigstens teilweise) nachösterlich
unter seinen Anhängern befinden, behauptet Apg 1,14; vgl. auch die
Aussagen des Kirchenschriftstellers Hegesipp (Ende 2. Jhdt.) bei Euseb,
h.e. III 20,1-6.
2,12-22 Tempelreinigung
Daß die Tempelreinigung, in einem Zweig der syoptischen Tradition
als Auslöser für den Todesbeschluß gegen Jesus bekannt
(Mk 11,18), im Johannesevangelium ziemlich am Anfang der Darstellung der
öffentlichen Wirksamkeit Jesu zu stehen kommt, kann theologisch begründet
sein: Jesu Kreuzestod kommt in den Blick.
Das Zitat aus Ps 69,10 in Joh 2,17 soll in Verbindung mit der Schelte
Kaufhaus die richtige Deutung sicherstellen: Der Eifer für
das Haus Gottes ist der Eifer um Reinheit und Heiligkeit. Daß dieser
Eifer Jesus fressen wird (der Evangelist hat den Aorist [ein griech. Vergangenheitstempus]
zum Futur abgeändert), ist für den nachösterlichen Leser
wiederum ein Hinweis auf den Tod Jesu. Die Zahl 46 Jahre hat, abgesehen
von der Kombination 40 (Zahl der Vollkommenheit) und 6 (sechs Schöpfungstage)
keinen Symbolwert. Datiert man mit Josephus (Ant 15,380) den Beginn der
Baumaßnahmen unter Herodes d. Gr. auf das Jahr 20/19 v. Chr., könnte
sich in Joh 2,20 eine historische Erinnerung an einen Auftritt Jesu ca.
27/28 n. Chr. in Jerusalem verbergen, dem Jahr der ersten öffentlichen
Wirksamkeit Jesu nach Lk 3,1. - Joh 2,21-23 ist ein Beispiel für
die Mißverständnistechnik des Johannesevangeliums: Semantisch
tragende Begriffe enthalten einen symbolischen Mehrwert, der dem natürlichen
Menschen aufgrund seiner Verhaftung an das Irdisch-Materielle nicht zugänglich
ist.
2,23-25 Der oberflächliche Glaube vieler
Soll hier die Darstellung in Mk 2,7-12 par. korrigiert werden?
3,1-21 Jesus und Nikodemus
Der Abschnitt ist die erste Entfaltung der Soteriologie. Zu Joh 3,3.5.7
vgl. Joh 1,12b. Joh 3,4f. ist ein weiterer Beleg für die johanneische
Technik des Mißverständnisses. Zu der Rede vom Geist als Vermittlung
ein neuen Nähe zu Gott vgl. Ez 36,25-27; Jub 1,23-25; 1QS 4,20-22.
Die Geburt von oben ist Voraussetzung, um Jesu Sendung zu
verstehen und seine Autorität als des von Gott gekommenen Lehrers
zu erkennen und anzuerkennen. Die Geburt von oben ist Wirken des Heiligen
Geistes, dem natürlichen Menschen unverständlich, der von der
Perspektive des Glaubenden aus in den Blick kommt. Sie geschieht, indem
der Mensch Jesu Wort hört und ihm glaubt, d. h. anerkennt, daß
in Jesus wirklich Gott selbst am Werk ist, und daß man Gott nur
in Jesus Christus begegnen kann.
Joh 3,14f. ist eine typologische Auslegung von Num 21,4-9 (zum Begriff
der Typologie vgl. die Ausführungen zu 1 Kor 10,1-13). Joh 3,16 formuliert
den Sinn des Kommens Jesu. Das Endgericht vollzieht sich nach Johannes
insofern in der Gegenwart, als diejenigen, die nicht an Jesus glauben,
schon durch diesen Unglauben selbst gerichtet sind.
3,22-36 des Täufers letztes Zeugnis über
Jesus
Die Frage nach der Legitimität dessen, daß auch Jesus
als Täufer tätig ist, wird durch den Täufer mit Hinweis
auf Gottes Wirken in Jesus beantwortet. Der Verweis der Gesprächspartner
auf Jesu Taufpraxis (der Verweis als solcher! logisch ist das nur vom
Standpunkt des Christentums aus) bestätigt für den Täufer
die Richtigkeit seiner Aussagen Joh 1,20.30. Die Überlegenheit Jesu
über alles und über alle ist durch sein Kommen von oben
bedingt. Jesus bezeugt, was er gesehen und gehört hat (gemeint ist:
bei Gott dem Vater), doch sein Zeugnis findet unterschiedliche Resonanz.
Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn wird als Liebe des Vaters
zum Sohn beschrieben (wie Joh 3,35 auch 5,20; 10,17; 15,9; 17,23f.36),
andernorts als Liebe des Sohnes zum Vater (Joh 5,20; 14,21.23.31; 17,23).
Glaube bzw. Unglaube entscheiden über das eschatologische Geschick
des Menschen (Joh 3,36).
4,1-42 Jesus und die Samaritanerin
Zu den Spannungen zwischen Juden und Samaritanern vgl. 2 Kön
17,24-41; Lk 9,52-56; 10,30-35; Joh 8,48.
Jesu Wissen um das Vorleben der Frau (Joh 4,16-18) dient dem Erzähler
dazu, daß die Frau von dem Propheten Jesus (Joh 4,19f.) einen Bescheid
hinsichtlich des Ortes der rechten Gottesverehrung erbitten, der johanneische
Jesus statt der erwarteten Antwort (Garizim oder Jerusalem)
auf sich selbst verweisen kann. Denn der Gegenstand ihrer Frage ist nach
Jesu Antwort durch die neue Wirklichkeit überholt (V. 21; die Stunde
bezieht sich auf die in der Passion beginnende Verherrlichung Jesu), wiewohl
in V. 22 zunächst unverkennbar Israel als Ausgangsort des Heils bezeichnet
wird: Die Gemeinde der an Jesus Glaubenden hat die Unterschiede zwischen
Juden und Samaritanern hinter sich gelassen. Der Geist erinnert die Glaubenden
an die Worte Jesu (Joh 14,26) und vermittelt ihnen so die Erkenntnis des
Wirkens des Sohnes (Joh 15,26) in Einheit mit seinem Vater (Joh 16,13-15);
Wahrheit ist nach dem Johannesevangelium immer auch Tun, nämlich
das Tun der Liebe (Joh 17,26). Die Heilsverkündigung ist, wie V.
34 den Jüngern verdeutlicht, das Jesus vom Vater aufgetragene Werk,
das er als dessen Gesandter tut, und das jetzt geschehen soll: Das Bild
der Ernte ist schon in der Heiligen Schrift Bild des Gerichtes (vgl. Joel
4,13) wie auch der Sammlung der Gott treu gebliebenen Israeliten (Jes
27,12). V. 39-42 illustrieren, was in V. 31-38 gemeint war.4,35-38 weist
auf die missionarische Aufgabe der Jünger voraus, vgl. Joh 17,18f.
4,43-54 Jesus in Galiläa; Heilung des Sohnes
eines königlichen Beamten
zu Joh 4,43-45 insgesamt vgl. Joh 2,23-25, zu Joh 4,44 vgl. Mk 6,4
par EvThom 31. Ein Glaube, der sich nur auf Jesu Wunder stützt, ist
kein wirklicher Glaube.
Die Fernheilung soll durch den Aufweis der zeitlichen Korrespondenz zwischen
der Genesung und dem Wort Jesu, das sie zusagt, den Leser der Zuverlässigkeit
des Wortes Jesu vergewissern und so Jesu Gottessohnschaft beglaubigen.
5 Die Heilung des Blinden am Teich Bethesda.
5,1-18 die Heilung
Der Evangelist greift eine vermutlich traditionelle, als Sabbatkonflikt
(Joh 5,9c-18) erzählte Wundergeschichte auf, um mit Joh 5 den sich
ständig steigernden Konflikt zwischen Jesus und den nicht an ihn
glaubenden Juden zu thematisieren. Zum Motiv der Verfolgung Jesu wegen
der Verletzung des Sabbatgebotes vgl. Mk 3,6. Das Motiv der Tötungsabsicht
hat sich der Evangelist jedoch für den weitergreifenden Anspruch
Joh 5,18 aufgespart, der erstmals öffentlich gegenüber den Juden
das Wirken des Vaters und des Sohnes parallelisiert, nicht nur von der
Sendung Jesu redet. Auch nach Joh 19,7 ist Jesu Anspruch hinsichtlich
seiner Gottessohnschaft der eigentliche Punkt der Anklage gegen ihn. Textextern
bedeutet das: Die Christologie ist der wesentliche Streitpunkt zwischen
christlicher Gemeinde und dem nicht an Jesus glaubenden Judentum
5,19-47 Jesu Verteidigung
5,19-30 Die Einheit des Tuns zwischen Gott Vater
und dem Sohn
Die jüdischen Gesprächspartner sehen durch Jesu Zeugnis
seiner Gottessohnschaft das Grundgebot des Monotheismus verletzt. Jesus
verweist dagegen auf die Einheit seines und des göttlichen Tuns.
Daß der Vater dem Sohn das Gericht übertragen hat, bedeutet:
An der Stellung des Menschen zu Jesus entscheidet sich sein eschatologisches
Geschick (vgl. Lk 12,8f.). So wird der Glaube an den, der Jesus gesandt
hat, zum Kriterium des eschatologischen Geschicks im Jüngsten Gericht
erhoben (Joh 5,24). Die Wendung der mich gesandt hat bestimmt
das Wesen Gottes näher, an den zu glauben Jesus bei seinen Gesprächspartnern
zu Recht als selbstverständliche Intention voraussetzt, trägt
aber eine nur dem an Christus Glaubenden plausible Näherbestimmung
ein.
5,31-47 Zeugnis für Jesus
Das Zeugnis des Täufers (in johanneischer Interpretation!) hat
als Zeugnis eines Menschen keine hinreichende Beweiskraft, hatte aber
den Zweck, daß Menschen zu Jesus finden (vgl. Joh 1,37). - Der Streit
zwischen Christen und Juden ist der Streit um Jesu Taten und Worte sowie
um das richtige Verständnis der Heiligen Schrift Israels. Johannes
stellt sich ebensowenig wie die sonstige christliche Literatur dem Problem,
daß die christliche Inanspruchnahme der Heiligen Schrift Israels
nur dem einleuchtet, der zuvor von der Legitimität des Selbstanspruches
Jesu überzeugt ist. Wahrscheinlich hat die Auferweckung Jesu als
christlicherseits unhinterfragtes Datum die selbstkritische Rückfrage
nach der Plausibilität der christlichen Botschaft verhindert.
6 Speisung, Seewandel, Lebensbrotrede
Zur Reihenfolge Speisung - Seewandel - erneute Begegnung mit dem
Volk vgl. Mk 6,30-56.
6,1-15 Speisung der 5000
Aufgabe zur Weiterarbeit: Ermitteln Sie durch Vergleich von Joh 6,1-15
mit Mk 6,30-44 Züge der Souveränität Jesu in der johanneischen
Darstellung.
6,16-21 Seewandel
Das Wunder ist hier insoweit gegenüber Mk 6,45-52 gesteigert,
als unmittelbar beim Betreten des Bootes durch Jesus dieses auch schon
an Land ist (V. 21).
6,22-25 Jesu Wiederbegegnung mit dem Volk
Hatte Markus anhand der Tradition Mk 6,53-56* die Verläßlichkeit
des helfenden Wortes Jesu thematisiert, entnimmt Johannes ihr (unter Ausgleich
einiger Inkonsistenzen der synoptischen Erzählung) die Veranlassung
zur sog. Lebensbrotrede. Daß das Volk Jesus sucht (V. 24), ist als
Erwartungshaltung zu verstehen, die freilich (s. V. 27) kritisch kommentiert
wird.
6,26-29 Die Forderung des Glaubens
Intendiert war die Speisung nach Auffassung des Evangelisten nicht
nur als Sättigungsmahl, sondern offenbar als Zeichen
(Joh 6,27). Joh 6,26-29 richtet an das Volk die Aufforderung, sich um
das ewige Leben zu mühen, das der Menschensohn (als Richter im Endgericht)
gibt, d.h. an den zu glauben, den Gott gesandt hat.
6,30-35 Jesus als Brot des Lebens
Inwiefern die Speisung Zeichen hätte sein sollen,
wird nunmehr präzisiert: Jesus wird als das vom Himmel gekommene
Brot bezeichnet. Gabe des Lebens ist Jesus insofern, als der Glaube an
ihn die Anteilhabe am Heil, auch endzeitlich, bedeutet. Die 7 sog. Ich-bin-Worte
(Joh 6,35; 8,12; 10,9.11; 11,25; 14,6; 15,5) mit ihrem Aufbau Präsentation
- Bildwort - Einladung / Verheißung bringen den Anspruch Jesu zur
Geltung, daß in ihm und nur in ihm die Heilserwartung des Menschen
sich erfüllt. Jesu Antwort (mein Vater) enthält
in sich wiederum das nur christlich akzeptable Element der Näherbestimmung
des Gottes Israels. Die Frage des Volkes nach einem Zeichen V. 30 weist
wie V. 27 darauf hin, daß das Volk diese Zeichen-Funktion
der Speisung nicht erkannt hat (vgl. auch V. 36). Das gibt dem Evangelisten
Anlaß zur Erörterung der Frage nach der Möglichkeit von
Glauben und Unglauben.
6,36-40 Wie ist Glauben möglich?
Joh 6,37.39.44; 17,2 lassen das zum Glauben Kommen ausschließlich
als Werk Gottes verstehen, der die Glaubenden zu Jesus zieht.
Andererseits richtet gerade das Johannesevangelium öfters die Forderung
des Glaubens an die Gesprächspartner Jesu (Joh 6,29 u.a.). Im Lichte
dieser Stellen sind Aussagen wie Joh 6,37.39.44 als Versuch zu verstehen,
das unbegreifliche Rätsel des Unglaubens vieler Menschen und auch
des in den Unglauben hineinführenden Zweifels von Gemeindegliedern
(vgl. Joh 6,65!) zu verarbeiten. Auch weiß der Glaubende, daß
es göttliche Huld, unverdientes Geschenk (charis) ist, daß
er zum Glauben kam. Das sola gratia in diesem Verständnis ist generelle
Einschätzung des Urchristentums.
6,41-46 Die Herkunft Jesu
Der Selbstanspruch Jesu, vom Himmel her zu sein, wird von seinen
Gesprächspartnern aufgrund ihrer Kenntnis der irdischen Herkunft
Jesu in Frage gestellt (die Jungfrauengeburt ist in Joh 6,42 nicht bekannt).
Jesu himmlische Herkunft ist, so seine Antwort, nur dem Glaubenden gewiß.
6,47-51ab Jesus gibt ewiges Leben
Jesus vermittelt ewiges Leben, d.h. Heil in einer den Tod überdauernden
Gemeinschaft mit Gott.
6,51c-59 Der eucharistische Abschnitt
Die Teilhabe am ewigen Leben wird im eucharistischen Mahl vermittelt.
6,60-71 Der Unglaube in der Gemeinde
6,60-65 greift die Thematik des mk Jüngerunverständnisses
auf. In 6,61f. (Aufstieg des Menschensohns, der u.a. durch das Kreuz erfolgt)
ist wohl das Unverständnis der Jünger hinsichtlich des Leidenmüssens
Jesu verarbeitet (Mk 8,31-33). Joh 6,63 zielt darauf, daß es das
richtige Verständnis der Worte Jesu ist, das das ewige Leben verleiht.
Man darf hier wie in Joh 4,24 weder die hellenistische Kritik der Materialität
des griechischen und des jüdischen Opferkultes noch die spätere
christliche Entgegensetzung von geistlichem und fleischlichem Verständnis
der Thora eintragen. Zu Mt 6,64 vgl. Mt 28,17.
Für die Zuverlässigkeit des Bleibens beim Glauben kann der Mensch
nicht selbst garantieren (Joh 6,65). Es gibt das Phänomen des Abfalles
vom Glauben, wie Joh 6,66-71 verdeutlicht. Während die zurückbleibenden
Jünger bekennen, kündigt Jesu den Verrat des Judas an (ähnlich
mit Petrus Mk 14,26-31). Der Leser soll gewarnt werden.
Joh 7,1-9 Jesus und seine Brüder
Das Ansinnen der Brüder ist für den Leser schon durch Joh
2,23-25 negativ bewertet und erst recht durch den Erzählerkommentar
Joh 7,5, der wie Mk 3,20f. das problematische Verhältnis Jesu zu
seiner Familie festhält.
Daß nach Joh 7,7 die Werke des kosmos böse sind, wird nicht
spezifiziert, erklärt sich für den Leser jedoch von Joh 3,18-21;
5,24-29 her: Die eigentliche Sünde ist der Unglaube gegenüber
Jesus und seiner Sendung.
7,10-13 Zwiespalt in der Beurteilung Jesu.
Zum Vorwurf der Verführung vgl. Mt 27,63.
7,14-18 Jesus als Lehrer
Die auf Jesu Recht zu lehren zielende Rückfrage wegen der irdischen
Befähigung, zu lehren, wird mit Hinweis auf die göttliche Lehre
seiner Herkunft beantwortet. Jesus lehrt nicht das Seine, sondern das
des Vaters. Darin liegt auch der Grund zur Autorität Jesu. Die Ablehnung
der Suche nach der eigenen Ehre setzt Jesus als allgemeine Basis voraus,
aufgrund deren ihm seine Gesprächspartner Recht geben müßten.
Die Kontinuität zur Heiligen Schrift Israels wird damit behauptet.
7,19-24 Jesu Sabbatheilung
Jesus hat durch die in Kap. 5 berichtete Heilung den ganzen Menschen
gesund gemacht. Wenn schon das Gebot der Beschneidung das Sabbatgebot
verdrängen kann, um wie viel mehr diese Tat.
7,25-30 Jesu Messianität und seine Herkunft
Die Frage nach der Messianität Jesu wird von einigen der Jerusalemer
aufgrund seiner bekannten irdischen Herkunft verneint. Jesus verweist
dagegen auf seine himmlische Herkunft von dem, den seine Gesprächspartner
nicht kennen. Jesu Gegner werden seiner zunächst noch nicht habhaft,
weil Gott allein festlegt, wann die Stunde seiner Passion kommt (7,30).
7,31-36 Jesu Messianität und seine Zeichen
Jesu Zeichen lassen ihn vielen als Messias denkbar erscheinen, so
daß sich die Pharisäer und die Hohenpriester zum Eingreifen
gezwungen sehen. Jesus sagt selbst seine Passion aus, aber in einer Weise,
die seine Zuhörer mißverstehen.
7,37-52 Zwiespalt im Volk
Die Terminierung der Aussage Joh 7,37f. auf den Höhepunkt des
Laubhüttenfestes kann als Anspruch besagen, daß das, was die
Liturgie dieses Tages als Gabe Gottes in der Geschichte feiert und in
der Endzeit erhofft (Ps 78,15f.; Jes 44,3; Ez 47,1-12; auf diese und andere
Stellen nimmt Joh 7,38 wohl summierend Bezug), in Jesus Wirklichkeit wird.
Freilich wird dies der Gemeinde erst nach Ostern deutlich (Joh 7,39).
Jesu irdische Herkunft aus Galiläa (Jesu Geburt in Bethlehem ist
in Joh 7,42 christlicherseits gerade nicht vorausgesetzt) widerspricht
für seine jüdischen Gesprächspartner seinem messianischen
Selbstanspruch. Als Kern der Gegner des Christentums schälen sich
Pharisäer und Hohepriester heraus, die Jesu Werke nicht gelten lassen
und sich selbst dem Ansinnen eines der ihren verweigern, nach Recht und
Gesetz zu handeln. Die Pharisäer sind die Hauptkontrahenten in den
folgenden Auseinandersetzungen in Jerusalem, werden aber im Zusammenhang
der Passion Jesu auch von Johannes nur in Joh 18,3 erwähnt.
7,53-8,11 Jesus und die Ehebrecherin
Die Perikope fehlt in den ältesten Textzeugen für das Johannesevangelium,
hat ansonsten gelegentlich auch an anderen Stellen des Neuen Testaments
ihren Platz gefunden, nach Joh 7,36; 21,25; Lk 21,37f.
Für Jesus ist die Situation verfänglich: Mißbilligt er
die Steinigung der Frau, spricht er sich gegen die Thora aus (vgl. Dtn
22,22; Lev 20,10), billigt er sie, stellt er im jetzigen johanneischen
Kontext sein eigenes Verhalten bei den Sabbatheilungen (Joh 5; Joh 9)
als strafwürdig hin. Jesus behilft sich, indem er das nach Dtn 13,10f.vorgesehene
Recht für den Zeugen eines Verbrechens, zuerst einen Stein zu werfen,
einschränkt durch den Zusatz nur wer ohne Sünde ist.
Zu Joh 8,7 vgl. Mt 7,1.
8,12-59 Jesu Selbstzeugnis: Licht der Welt
8,12-20 Jesus das Licht der Welt
Zu Joh 8,12 vgl. Jes 42,6-8. Die Wahrheit des Selbstzeugnisses Jesu
hängt an seiner Herkunft von oben (V.14), an der Bestätigung
durch den, der ihn gesandt hat (V. 18).
8,21-29 Jesu Herkunft von oben
Die Gesprächspartner Jesu sind von unten und beurteilen
Jesus daher falsch. Ihr Unglaube ist Sünde. Angesichts des Kreuzes
Jesu wird Erkenntnis seiner Sendung Wirklichkeit.
8,30-36 Das johanneische Verständnis von Freiheit
Freiheit ist Freiheit von der Sünde. Jesu Anspruch, frei zu
machen, wird von einigen, die zum Glauben an Jesus gekommen waren, nicht
verstanden, denn als Same Abrahams sind Jesu Gesprächspartner ihrer
Ansicht nach frei (Joh 8,33). Sie wissen sich von den Heiden dank ihrer
Abrahamskindschaft unterschieden. Die jüdische Überzeugung,
daß Heidentum als solches Sünde ist, wird christlicherseits
nun auch gegen Judenchristen gewendet, die ihre Gottesgemeinschaft nicht
(mehr) ausschließlich über ihre Bindung an Jesus definieren,
für die subjektive Sicht des Evangelisten damit vom Glauben abgefallen
sind (davor warnt Jesu Wort von der Notwendigkeit des Bleibens).
Spannungen zwischen verschiedenen christlichen Gruppen, jüdische
Observanz betreffend, lassen auch IgnMagn 8 - 11; IgnPhilad 6 - 8 erkennen.
8,37-47 Der unbegründete Anspruch der Abrahamskindschaft
Dadurch, daß die in Joh 8,30 Genannten Jesus töten wollen,
beweisen sie, daß sie nicht Gott zum Vater haben, sondern den Teufel
(8,44). Diese Stelle gehört, ungeachtet der eigentlichen Adressaten
(vgl. zu Joh 8,30-36) neben 1 Thess 2,14-16; Mt 27,24f. zu den Stellen,
die aufgrund ihrer Wirkungsgeschichte das christlich-jüdische Verhältnis
aufs Schwerste belasteten.
8,48-59 Abraham als Zeuge für Jesus
Zum Vorwurf der Besessenheit vgl. Mk 3,22. Die Samaritaner galten
als eine der Zauberei und Magie besonders anfällige Gruppe (vgl.
Justin, 1.apol. 26). Der Anspruch Jesu, ewiges Leben zu gewähren,
stößt auf Ablehnung, weil sich Jesus damit über Abraham
stellt. Die Antwort Jesu V. 56 greift das frühjüdische Motiv
auf, daß die Patriarchen beim Auftreten des Messias an der kommenden
Welt Anteil haben werden. So wird auch Abraham als Zeuge der Messianität
Jesu beansprucht.
9,1-41 Heilung eines Blindgeborenen am Sabbat
Die Erzählung konkretisiert den Anspruch Jesu, Licht
zu sein (Joh 9,5 weist auf Joh 8,12 zurück), im wörtlichen Sinne
durch die Blindenheilung, im übertragenen Sinne durch die in der
Sicht des Evangelisten richtigen Deutung (dem Rückschluß von
der Faktizität der Heilung auf die göttliche Bevollmächtigung
des Wundertäters), die den Geheilten (anders als den Gelähmten
von Joh 5) zum Glauben führt.
9,1-7 Die Heilung
Die Nacht, da niemand wirken kann, weist auf Jesu Passion
voraus.
9,8-12 Die Identität des Geheilten
Im Hinblick auf das in Joh 9,19 Berichtete wird die Faktizität
des Wunders festgehalten.
9,13-17 Der Zwiespalt bei den Pharisäern
Die Tatsache, daß die Heilung an einem Sabbat geschah, bringt
einen Zwiespalt in die Reihen der Pharisäer: Einerseits ist die Heilung
eine am Sabbat verbotene Arbeit, andererseits würde die Faktizität
des Wundergeschehens, wenn sie denn als tatsächlich geschehen erwiesen
werden könnte, für den Selbstanspruch Jesu zeugen. Auf die in
Dtn 13,2-6 verhandelte Problematik wird hier wie auch sonst im Neuen Testament
nicht verwiesen.
9,18-23 Die Befragung der Eltern
Nochmals wird die Identität des ehemals Blinden geklärt,
indem seine Eltern hinzugezogen werden. Auf die Frage nach dem Wundertäter
antworten sie ausweichend aufgrund des in Joh 9,22 angesprochenen Synagogenbannes.
9,24-34 Die Beurteilung der Wundertat
Die Pharisäer werden nunmehr einheitlich als Gegner Jesu gezeichnet;
der ehemals Blinde schließt von der Faktizität seiner Heilung
auf deren göttliche Billigung (9,30-33) und wird hinausgestoßen
(zu 9,34 vgl. Joh 9,22).
9,35-38 Der Geheilte kommt zum Glauben
Das Wunder legitimiert den Wundertäter, und es ruft Glauben
hervor. Kritik am Wunder, und Kritik an der Legitimationsfunktion der
entsprechenden Erzählungen in der Antike gab es wohl, doch sind sie
für Johannes irrelevant. Zu dieser genannten Kritik in der Antike
vgl. u.a. Lukian, Philopseudes, passim.
9,39-41 Jesu richtendes Wort.
Der Selbstanspruch, sehend zu sein, läßt die Pharisäer
in Wahrheit als Blinde erscheinen. Johannes zeichnet sie als unbußfertig
und damit dem Gericht verfallen.
10,1-42 Jesus der gute Hirte
Zum Bild der Schafe für das Volk Gottes vgl. Ps 100,3; äthHen
85-90; zum Thema die schlechten Hirten und der rechte Hirte
vgl. Jer 23; Ez 34.
10,1-6 Der Hirte und der Dieb
Wer ist der Dieb in dem Bildwort? Kann man 10,1-6 aufgrund der Nähe
zu Joh 9,39-41 an die Pharisäer adressiert sein lassen?
10,7-10 Er ist die Tür.
Durch ihn haben die Schafe ewiges Leben. Andere verführen
die Schafe nur und bringen sie zu Tode. Jesus ist, so der Evangelist,
der alleinige Zugang zum Heil.
10,11-18 Jesu Lebenshingabe für die Seinen
Jesu Passion ist seine Selbsthingabe, die in Übereinstimmung
mit dem Willen des Vaters und in der von ihm übertragenen Vollmacht
erfolgt. Aus seinem gewaltsamen Tod ist also nicht sein Scheitern und
damit die Hinfälligkeit seines Selbstanspruches zu folgern.
10,19-21 Zwiespalt in der Beurteilung Jesu
Seine Worte erregen Anstoß, die Heilung des Blindgeborenen
wirft die Gegenfrage auf, wie ein Besessener dies bewirken könne.
Vgl. Joh 9,16.
10,22-39 Streit um Jesu Behauptung seiner Gottessohnschaft
Auf die Aufforderung, sich zu seinem Selbstanspruch zu äußern,
verweist Jesus wieder auf den Unglauben seiner Gesprächspartner und
formuliert die Heilswirkung, die als durch seine Einheit mit Gott ermöglicht
gedacht ist. Erneut wird betont, daß der Selbstanspruch Jesu (vgl.
10,30), nicht sein Handeln strittig ist. Der Schriftbeweis für die
Gottessohnschaft Jesu ist ein Schluß vom Geringeren auf das Größere:
Wenn in der Bibel schon normale Menschen als Götter bezeichnet
werden, um wieviel mehr derjenige, der in der Tat von oben, von Gott kommt.
Der Schriftbeweis überzeugt insofern nicht, weil er ja gerade die
behauptete Unterschiedenheit Jesu von den anderen Menschen nicht zu beweisen
vermag.
10,40-42 Das Zeugnis des Täufers und seine Wirkung
Menschen glauben an Jesus, weil das Zeugnis des Täufers über
ihn sich als wahr erweist.
11,1-44 Auferweckung des Lazarus
Zur Wertung der Krankheit durch Jesus in V. 4 vgl. Joh 9,3.
11f. Martha äußert ihr Vertrauen darauf, daß Jesus dem
toten Lazarus das ewige Leben verschaffen kann, nämlich im Sinne
der traditionellen futurischen Eschatologie am Ende der Tage. Jesus verkündigt
sich selbst als die Auferstehung (Joh 11,25).
Jesu menschliche Reaktion (V. 32-37) wird als Begrenzung seiner Wundermacht
angesehen (V. 37). Die Antwort 11,34 erinnert zurück an Jesu gleichlautende
Antwort auf die Frage nach seinem Zuhause (Joh 1,46).
Am Grab zeigt sich (V. 38-40), daß Martha die Aussage Jesu noch
nicht verstanden hatte, trotz ihres Bekenntnisses Joh 11,27.
Die Auferweckung des Lazarus (V. 41-44) fungiert auch als Vorzeichen dessen,
daß Jesus in Ewigkeit das zu tun imstande ist, was er in 8,51; 10,28-30
von sich sagt. Daß sie als Gebetserhörungswunder durchgeführt
wird (das ist der Stil vieler jüdischer Wundergeschichten), ist nicht
um Jesu selbst willen notwendig, sondern soll zeigen, daß er im
Auftrag des Vaters, des Gottes Israels handelt.
Der Aufbau einer jüdischen Gebetserhörungswundererzählung
(jBerachot IX 1;bBerachot 34b): Der Kranke oder ein Stellvertreter bittet
den Wundertäter, damit er für ihn zu Gott bete - auf die Bitte
des Wundertäters hin geschieht das Wunder. Die Betonung menschlicher
Wunderkraft konnte im Hinblick auf Dtn 13,2-6 als suspekt empfunden werden.
11,45-57 Todesbeschluß gegen Jesus
Viele von den umstehenden Juden kommen zum Glauben, einige berichten
das Ereignis den Pharisäern. Der Todesbeschluß wird als prophetische
Weissagung des Sterbens Jesu für das Volk gedeutet. Der Leser soll
erkennen: Menschliches Handeln kann den Plan Gottes nicht zunichte machen,
sondern trägt zu seiner Erfüllung bei. Auch durch Widrigkeiten
hindurch bleibt Gott der Herr des Geschehens. Zum Motiv des Rückzugs
Jesu nach vorangegangenem Todesbeschluß der Gegner vgl. Mt 14,13
und Mk 3,7.
12,1-8 Salbung in Bethanien
Einzug in Jerusalem und die Salbung sind gegenüber der synoptischen
Reihenfolge umgestellt. Der Verweis auf Bethanien als Ort der Auferweckung
des Lazarus soll dem Leser auch hinsichtlich des Sterbens Jesu (vgl. dazu
Joh 12,20-26) vor Augen stehen.
Der Vorwurf der Verschwendung wird nicht mehr allen Jüngern, sondern
allein Judas Ischarioth in den Mund gelegt; die Begründung seines
Verhaltens ist singulär.
12,9-11 Todesbeschluß gegen Lazarus
Der Todesbeschluß gegen Lazarus zeigt, daß man mit allen
Mitteln den missionarischen Erfolg Jesu einzudämmen versucht.
12,12-19 Tempelreinigung
Mk 14,1-7 hat bei Joh 12 keine Parallele. Zu dem Verweis auf Jesu
Auferweckung des Lazarus und auf das Verhalten der Phariäser vgl.
Lk 19,37.39. Über die den Jüngern damals nicht mögliche
Erkenntnis des Geschehens vgl. V. 16, Vgl. dazu Joh 2, 22.
12,20-36 die bevorstehende Verherrlichung Jesu und
der Unglaube des Volkes
Die Mitteilung, daß einige Griechen Jesus sehen wollen, löst
Jesu Ankündigung über sein bevorstehendes Sterben aus. Die (wohl
historische) Tatsache, daß die Heidenmission erst nachösterlich
zum Programm der Jünger Jesu wurde, ist hier umgegossen in die Vorstellung
einer bewußten göttlichen Planung.
Gethsemane und Verklärungstradition sind in V. 27-33 zu einem einzigen
Geschehen zusammengezogen (zum Zusammenhang der Passions- und der Verklärungsthematik
vgl. schon die Anordnung von Mk 9,2-9 nach Mk 8,34-38 sowie Lk 9,31),
beides zusammen in die Öffentlichkeit des Jesus nicht verstehenden
Volkes gerückt. Die buchstäblich zu verstehende Tatsache, daß
Jesus oben am Kreuz hängt, wird für den Evangelisten zum Sinnbild
seiner Erhöhung, seines Aufstiegs zum Vater. Die Frage, wer der Menschensohn
sei, beantwortet Jesus indirekt mit der Mahnung, sich an ihn als das Licht
zu halten.
12,37-43 Der Unglaube des Volkes
Zu der Verwendung von Jes 6,9f. im Urchristentum vgl. Mk 4,10-42;
Apg 28,26f. Diese Stellen sollen den rätselhaften Unglauben vieler
Menschen erklären; für Johannes ist dieser Unglaube umso unerklärlicher,
weil Jesus diese gewaltigen Taten gewirkt hat. Diese Aussagen sind Grenzaussagen,
die nicht zu einer Theorie des göttlichen Handelns verallgemeinert
werden dürfen. Erst recht dürfen sie nicht als ewige Verwerfung
der nicht an Jesus glaubenden Juden gedeutet werden, wie dies Christen
lange Zeit getan haben.
12,44-50 Jesu Wort als Gericht
Die Rede wird örtlich und zeitlich nicht fixiert; sie gilt überall,
und sie gilt immer.
Aufgabe zu Weiterarbeit: Suchen Sie Parallelen zu Joh
12,44-50 im Johannesevangelium
13,1-20,29 Jesu Offenbarung vor der Gemeinde
13,1-20 Fußwaschung
Joh 13,1.3 sind Leseanleitung für die folgenden Kapitel. Die
Passion ist der Beginn eines Geschehens, das Jesus zurück zum Vater
führt. Passion und Ostern fallen nicht in eins, sind aber zusammengedacht.
Zum apokalyptischen Motiv der Stunde vgl. Mk 14,41. Die Wendung
die seinen, die in der Welt sind bezeichnet die Situation
der Christen in der Welt, bei denen Christus nicht mehr leiblich gegenwärtig
ist.
Zum Motiv des wunderbaren Vorherwissens Jesu vgl. Mt 26,1f. Die Handlungsinitiative
des Gottessohnes wird in Joh 13,3 betont: Er ist Herr des Leidensgeschehens,
das er freiwillig auf sich nimmt. Narrativ wird das in Joh 18,5 umgesetzt:
Jesus selbst gibt den Anstoß dazu, daß man ihn verhaften kann.
Die Handlung Jesu erhält in V. 6-11 und V. 12-17 zwei verschiedene
Deutungen: 1 V. 6-11 steht die Waschung symbolisch für die Reinheit
dessen, der durch die Teilhabe (V. 8) an dem in Jesu Tod beschlossenen
Heil rein, d.h. der Gemeinschaft mit Gott würdig ist;
Joh 13,12-17 deutet die Fußwaschung als in dem Bekenntnis zu Jesus
(Lehrer, Herr) impliziertes verpflichtendes Beispiel für
die Jünger. In Joh 13,18-20 werden die Handlungsweise des Judas und
das geforderte Aufnehmen der von Jesus gesandten Boten einander gegenübergestellt,
die Handlungsweise des Judas damit zum Sinnbild auch gegenwärtig
erfahrbaren Fehlverhaltens. Nach Joh 13,19 wird sich Jesu Vorherwissen
bestätigen, und das soll die Jünger in ihrem Glauben an ihm
bestätigen.
13,21-30 Ankündigung des Verräters
Die nach synoptischer Tradition vor dem letzten Mahl Jesu mit seinen
Jüngern getroffene, im Johannesevangelium gar nicht im einzelnen
berichtete Absprache des Judas mit den Hohenpriestern folgt im Johannesevangelium
der ankündigenden Aufdeckung des Geschehens durch Jesus (Joh 13,30).
Zeitlich parallel liegen die Vorbereitung dessen, was man Jesus antun
wird, und Jesu Verkündigung dessen, was er für die Seinen tun
wird (Joh 13,31-14,31), ebenso das Kommen des Fürsten
dieser Welt (äußerlich ist wohl Judas Ischarioth gemeint; Joh
14,30f. will aber auch auf symbolischer Ebene das Kommen der
Bedrängnis für die nachösterliche Gemeinde besagen) und
die Belehrung über das notwendige Bleiben der Jünger.
- Die Jünger sind (trotz V. 21-23!) ahnungslos über das Vorhaben
des Judas, sie begreifen noch nicht, daß jetzt die Passion und damit
ihre Situation der Trennung von Jesus beginnt (vgl. Joh 13,33.36). - Nicht
Petrus, sondern der Lieblingsjünger als der wahre Hermeneut Jesu
erfährt, wer Jesus ausliefern wird. Umstritten ist, ob der Lieblingsjünger
eine konkrete Person aus der Geschichte der johanneischen Gemeinde oder
eine Symbolfigur darstellen soll.
13,31-16,33 Die johanneischen Abschiedsreden
Die johanneischen Abschiedsreden benützen die literarische frühjüdische
Gattung Testament (vgl. das Dtn als Ganzes sowie Tob 4,1-21;
14,1-11; 1 Makk 2,49-70; TestXII; Lk 22,15-38; Apg 20,17-38), als deren
Merkmale die Bewältigung der durch den bevorstehenden Tod des Sprechers
ausgelösten Krise und die Orientierung der zurückbleibenden
Angehörigen des Sterbenden für ihre Zukunft gelten können.
Die Abschiedsreden benennen den Standort des Evangelisten in zeitlicher
und in theologischer Hinsicht: Er schreibt aus bewußt nachösterlicher
Perspektive und versucht, die notwendigen Antworten auf neue Herausforderungen
mit der Jesustradition zu verbinden.
Literatur zur Weiterarbeit:
Christina Hoegen-Rohls: Der nachösterliche
Johannes. Die Abschiedsreden als hermeneutischer Schlüssel zum vierten
Evangelium, WUNT II 84, Tübingen 1996.
13,31-35 Das neue Gebot der Liebe
Joh 13,31f. deuten die Handlung des Judas als Beginn der Passion,
diese als Verherrlichung des Menschensohnes. Für die Existenz des
Christen in der Welt, noch nicht bei Gott (Joh 13,33), gibt Jesus das
neue Gebot der gegenseitigen Liebe, an dessen Verwirklichung
man die Jünger als Christen erkennen wird.
13,36-38 Ankündigung der Verleugnung
Joh 13,36 setzt das Wissen um das Martyrium des Petrus voraus.
14,1-14 Jesu Heimgang zum Vater
Den Glaubenden werden Wohnungen im Himmel verheißen, d.h. die
Aufnahme in die endzeitliche bleibende Gemeinschaft mit dem Vater und
dem Sohn. Der Weg Jesu zum Vater ist Urbild des Weges auch der Seinen.
In Joh 14,6f. wird die Weg-Metapher jedoch anders gewendet, zu dem Zweck,
Jesus als den einzigen Zugang zum Heil zu bezeichnen: Jesu äußerer
Weg zum Vater wird zum Symbol des Weges, den die Menschen hin zu Gott
gehen sollen. Zum Stichwort Leben vgl. schon Joh 11,25.
Die Bitte des Philippus (zeige uns den Vater) ermöglicht
dem Evangelisten, ein weiteres Mal klarzustellen, daß die Worte
und die Werke Jesu denen des Vaters entsprechen, und erneut den Anspruch
zu explizieren, daß Jesus allein in gültiger Weise Gott offenbart
(vgl. Joh 14,6f. und schon Joh 1,18).
Die Vergleichbarkeit der Werke der Jünger mit denen Jesu (V. 12-14)
ist auch ein Motiv der synoptischen Tradition, ebenso, daß die in
den größeren Werken wohl angesprochene fortgesetzte
Missionstätigkeit der Jünger eine Intensivierung und Vervielfachung
des Wirkens Jesu bedeuten soll (für beides vgl. Mk 6,7-13).
14,15-24 Verheißung des Parakleten
Wenn die Jünger Jesus lieben und seine Gebote halten (zum Zusammenhang
der Liebe zu Gott und dem Halten seiner Gebote vgl. schon Dtn 10,12f.;
Ps 119,113-115 u.ö.), dann wird ihnen Gott auf Jesu Bitte hin einen
anderen Fürsprecher / Anwalt (so die Grundbedeutung von
parakletos) senden, damit er bei der Gemeinde sei (zum Motiv des Mit-Seins
vgl. Dtn 31,6.8; Ps 23,4; 91,15; Mt 28,20).
Daß die Christusbindung zugleich Distanzierung von der Welt
bedeutet (V. 17), ist verbreitetes urchristliches Motiv (vgl. den Topos
der Fremde der Christen in dieser Welt 1 Pt 1,17; 1 Clem,
prooem.), dessen Hintergrund der Evangelist hier aufdeckt.
Umstritten ist, ob V. 18-21 auf Ostern zu beziehen sind oder auf die Parusie
und wie sich das Kommen Christi zu der Gabe des Geistes im
einzelnen verhält. Daß der Vater und der Sohn in den Glaubenden
Wohnung nehmen, macht die Glaubenden zum eschatologischen Tempel Gottes
in der Welt (V. 23).
14,25-31 Verheißung des Friedens
Lehren und Erinnern als Tätigkeit des
Geistes bezeichnen die Vergegenwärtigung des Vergangenen
als aktualisierende Interpretation der Jesustradition. Der Inhalt
des Zeugnisses des Geistes ist ... mit dem Inhalt des Johannesevangeliums
identisch (U. Wilckens, Das Evangelium nach Johannes übersetzt
und erklärt, NTD 4, Göttingen 1998, 228).
In V. 29 versucht textintern Jesus, den Jüngern eine positive Einstellung
zu seinem bevorstehenden Tod zu vermitteln (mit der leiblichen Abwesenheit
des Auferstandenen steht für die Jünger Gottes Treue zu seinem
Wort auf dem Spiel); dem Evangelisten geht es darum, den Glauben der Gemeinde
zu stärken.
Die zweite Abschiedsrede Jesu: Joh 15-16
15,1-8 Die Bildrede vom Weinstock
Zu der Selbstprädikation der wahre Weinstock vgl.
die Metapher vom Weinstock als Symbol der Erwählung Israels
(vgl. Jer 2,21; Jes 5,1-7 u.a.). Zum paränetischen Motiv des Fruchtbringens
vgl. Mk 4,7.19; Mt 3,8; 7,16-20. In Joh 15,8 ist wie in Mt 5,16 die Außenwirkung
des Bleibens im Blick.
15,9-17 Die Deutung der Bildrede vom Weinstock
Es bestehen Entsprechungsverhältnisse (vgl. das zweimalige kathos
in Joh 15,9.12) zwischen der Liebe Gottes des Vaters zu dem Sohn und der
des Sohnes zu den Seinen (V. 9) sowie zwischen dieser Liebe des Sohnes
und der geforderten Liebe der Seinen untereinander; zu letzterem Entsprechungsverhältnis
vgl. 2 Kor 8,9 in seinem Kontext). In dem Wissen darum sind die Jünger
nicht Sklaven, sondern Freunde (vgl. zu dieser Bezeichnung der Jünger
aus dem Munde Jesu schon Lk 12,4, sodann Joh 11,11).
Freundschaft war in der klassischen Antike eine hochwertige Form zwischenmenschlicher
Beziehung, z.T. höher gewertet als die Ehe. Es hat eine reiche Literatur
de amicitia (über die Freundschaft) gegeben. Bekannt
sind Cicero, Laelius sive de amicitia; Lukian, Toxaris sive de amicitia;
Plutarch, quomodo adulator ab amico internoscatur. Bücher zum Thema
sind uns des weiteren bezeugt, aber verloren, u.a. von Xenokrates, Theophrast
und Kleanthes (Diogenes Laertios 4,12; 5,45; 7,175). Als Umschreibungen
der Freundschaft begegnen Wendungen wie eine Seele, die in zwei
Körpern wohnt (Aristoteles, nach Diogenes Laertios 5,20) oder
den Freunden ist alles gemeinsam (u.a. vorausgesetzt bei Diogenes
von Sinope, nach Diogenes Laertios 6,37) oder Freundschaft ist Gleichheit
(isotes filotes: Pythagoras nach Diogenes Laertios 8,10). Die Bereitschaft,
für einen Freund auch in den Tod zu gehen, als höchste Vollendung
der Freundesliebe begegnet auch in der paganen Antike (vgl. Aristoteles,
Nikomachische Ethik, 1169a 18-20; Epikur, nach Diogenes Laertios 10, 121;
Seneca, ep. moral. I 9,10: In quid amicum paro? Ut habeam pro quo mori
possim). Bekanntestes alttestamentliches Freundespaar sind David und Jonathan
(Das Verbum agapan auch 1 Sam 20,17 LXX). Freunde Gottes sind nach frühjüdischer
Anschauung nur wenige Auserwählte, Empfänger seiner Selbstmitteilung,
so z.B. Abraham (Jes 41,8; 2 Chor 20,7; Judith 8,19; Philo, sobr 56; Jak
2,23) und Mose (Ex 33,11; Philo, VitMos 1,156).
Frage zur Weiterarbeit: Inwiefern entspricht die johanneische
Bezeichnung der Jünger als Freunde diesen Vorstellungen,
inwiefern unterscheidet sie sich?
15,18-16,4 Der Haß der Welt
Das Schicksal der Christen angesichts des Hasses seitens der Welt
entspricht dem Schicksal Christi und ist darin begründet, daß
der kosmos Jesus nicht als den Repräsentanten des Wahren Gottes erkennen
kann und will (V. 22 stellt sicher, daß in V. 21b nicht vom intellektuellen
Verstehen die Rede war). Daß Gottes Gericht über diejenigen
hereinbricht, die sich der christlichen Botschaft verweigern (darauf verweist
das Stichwort Sünde in V. 22.24), begegnet auch andernorts
im Neuen Testament, vgl. Apg 17,31. Zeugen für Christus sind der
Heilige Geist und die Christen (V. 26f.).
Die Bedrängnis wird in Joh 16,1-4 als Ausschluß aus der Synagoge
und darüber hinaus als Tötung der Christen um des Gottes Israels
willen beschrieben. Historische Einzelheiten des Synagogenausschlusses
sind nicht bekannt.
16,5-15 Verheißung des Parakleten
Johannes gibt wiederum eine Antwort auf die Frage, wie die Jünger
nachösterlich die Zeit der Anfeindungen etc. ohne die leibliche Gegenwart
Jesu bewältigen sollen. Der Geist wird nachösterlich die Welt
des Unglaubens überführen und den Jüngern das Wirken Jesu
erschließen, in strenger Rückbindung an die Christusoffenbarung
(von dem Meinen wird er es nehmen) diese in die neue Situation
der Bedrängnis hinein aktualisieren (ich habe euch noch viel
zu sagen).
16,16-33 Überwindung der Angst
V. 21/22 sind textextern auf die Parusie zu beziehen, nicht auf Ostern,
denn gerade die nachösterliche Gemeinde ist von Angst und Trauer
bedrängt. Die Frage nach dem Wiedersehen Jesu ist bedrängend,
weil der Parusieverzug die Wahrheit der christlichen Botschaft überhaupt
in Frage zu stellen scheint. Der Tag der Parusie wird die Lösung
der Probleme bringen. In dem lehrsatzartigen V. 28 wird nochmals Jesu
Weg zusammengefaßt. Er ist vom Vater gekommen, darum
ist sein Wort maßgebend; er kehrt zum Vater zurück, das Entscheidende,
die Vermittlung der heilschaffenden Erkenntnis des Vaters an die Jünger,
ist geschehen.
Joh 16,29-33 illustrieren die Notwendigkeit der gesamten zweiten Abschiedsrede:
Wie in der Stunde der Verhaftung Jesu die Jünger ihn allein ließen,
so ist auch der nachösterliche, zum Bekenntnis der Gottessohnschaft
Jesu bereite Glaube in der Situation der Bedrängnis gefährdet.
17 Das Hohepriesterliche Gebet
Bezeichet der Prolog die Herkunft Christi, so das Hohepriesterliche
Gebet Joh 17 die Zukunft Christi und der Seinen, die begründet ist
in dem Heilswerk Christi, auf das der Verfasser des Johannesevangeliums
nunmehr abschließend und Rechenschaft gebend zurückschaut.
Die christologischen, soteriologischen und eschatologischen Aussagen von
Joh 17 sind zusammen mit den Aussagen von Joh 1,1-18 der Schlüssel,
das Johannnesevangelium zu verstehen. In Joh 17 ist der Abschied von den
Jüngern (ungeachtet des erzählerischen Fortgangs Joh 18,1) insofern
bereits vollzogen, als Jesus nicht mehr sie anspricht, sondern im Gebet
zu seinem Vater für sie eintritt angesichts der bedrängenden
Situation der nachösterlichen Zeit.
17,1-5 Die Bitte Jesu um seine Verherrlichung
Die Stunde ist die Stunde der Passion. Diese gilt nicht
als Scheitern Jesu, sondern zusammen mit der Auferweckung als Verherrlichung
des Sohnes durch den Vater (Verherrlichung meint den Erweis als Gott,
als wirksam), die den Sohn wieder in den Status des Präexistenten
zurückversetzt. Jesus bittet darum, daß nunmehr das vordergründige
Passionsgeschehen in Gang kommt, damit er den Vater verherrliche.
Der Sohn hat den Jüngern ewiges Leben vermittelt, d.h. die Erkenntnis
des Vaters Jesu Christi als des alleinigen und wahren Gottes, und damit
das ihm vom Vater aufgetragene (und daher gegen jüdische Kritik und
eigene Zweifel nicht illegitime) Werk seiner Sendung vollendet.
17,6-8 Jesu Rückschau auf sein Werk und dessen
Frucht
V. 7f. formuliert die Glaubenserkenntnis der johanneischen Gemeinde.
Die Sendung Jesu durch den Vater zeigt: In Jesus ist Gott selbst am Werk,
und die Bindung an Jesus ist nicht illegitim.
17,9-19 Jesu Bitte für die Jünger
Die Bitte für die Jünger ist die Bitte um Bewahrung angesichts
der Situation der Bedrängnis. V. 14 formuliert erneut die wesentliche
Distanz der Jünger zum Kosmos, V. 16 weist das Leben in dem gottfeindlichen
Kosmos den Jüngern als Aufgabe an. diese Ortsanweisung hat nicht
nur den Sinn, die gegenwärtige notvolle Gegenwart im Vorherwissen
Jesu zu begründen, sondern enthält positiv die Aufgabe der missionarischen
Sendung der Jünger in die Welt. Diese erhalten einen Sendungsauftrag
des verherrlichten Christus, der dem des Sohnes vom Vater entspricht,
und der den Sendungsweg Jesu zum Inhalt ihres Zeugnisses hat. Die erbetene
Heiligung ist die Bitte darum, daß Gott selbst in der Gemeinde die
menschliche Entsprechung zu seiner eigenen Heiligkeit wirke.
17,20-23 Jesu Bitte für die Glaubenden
Die Bitte für diejenigen, die aufgrund des Zeugnisses der Jünger
zum Glauben finden, ist die Bitte um die Einheit der Gemeinde, wie sie
der Einheit zwischen Vater und Sohn entspricht (V. 20-23). Merkmal dieser
Einheit ist die Liebe des Vaters zum Sohn wie zu den Glaubenden. So werden
die Glaubenden in das Liebesverhältnis des Vaters zum Sohn mit einbezogen.
17,24-26 Abschließende Bitte und Zusammenfassung
Jesus bitte um die unverkürzte Schau der göttlichen Herrlichkeit
(wohl anläßlich der Parusie). Die Liebe des Vaters zum Sohn
(vgl. dazu V. 23) soll auch die Glaubenden prägen.
18 - 19 Jesu Passion
18,1-11 Gefangennahme
Die synoptische Gethsemaneperikope hat an dieser Stelle keine Parallele,
vgl. aber Joh 12,20-33 sowie Joh 18,11 für das Kelchwort Mk 14,36
parr.
Zum Motiv des wunderbaren Vorherwissens Jesu V. 4 vgl. Mt 26,1f. Nach
Joh 18 ergreift Jesus selbst die Initiative. Das Zurückweichen des
Kommandotrupps verweist den Leser auf Jesu Göttlichkeit. Die Flucht
der Jünger (Mk 14,50) wird in V. 8 in eine Anweisung Jesu umgewandelt,
die zugleich die Fürsorge für die Seinen zum Ausdruck bringt.
Jesu Zurechtweisung gegenüber Petrus in V. 11 (vgl. Mk 14,36) argumentiert
nicht mit dem Motiv der Schrifterfüllung, sondern mit dem der Leidensbereitschaft
Jesu.
18,12-27 Jesus vor Hannas und Kaiphas. Verleugnung
Die Verschachtelung beider Perikopen verstärkt den Kontrast
zwischen dem souverän handelnden Jesus und dem versagenden Petrus,
vgl. den Kontrast zwischen dem ich bin es Jesu in Joh 18,5.8
und dem ich bin es nicht des Petrus in Joh 18,17.25. Auf die
Fragen des Hannas geht Jesus nicht ein; der Leser weiß das Wesentliche
aus dem Evangelium selbst; vgl. Joh 6; 7; 8; 10.
18,28-19,16 das Pilatusverhör
Szenen im Prätorium wechseln ab mit Szenen draußen. Unrein
würden die Juden durch das Betreten eines heidnischen Hauses.
18,28-38a Der König der Wahrheit
Der Vorwurf, Jesus sei ein Übeltäter, wird
zunächst nicht präzisiert (vgl. dagegen Lk 23,1-5), deutlich
wird nur, daß die jüdischen Oberen ein Todesurteil gegen Jesus
erwirken wollen. Hinter Joh 19,31 dürfte historisch richtiges Wissen
darum stehen, daß die sog. Kapitalgerichtsbarkeit, das Recht auf
Anordnung der Todesstrafe, damals ausschließlich dem römischen
Prokurator zustand.
Die Frage Bist du der König der Juden (V. 33) nennt aus
der Sicht des Pilatus den entscheidenden Grund, gegen Jesus vorzugehen,
ermöglicht aber aus der Sicht des Evangelisten, daß Jesus dem
römischen Prokurator das wahre Wesen seiner Königsherrschaft
offenbart: Sie erstrebt nicht auf vordergründiger Ebene die Ablösung
der römischen Herrschaft, ist vielmehr Zeugnis für die Wahrheit,
die der in Jesus Christus (vgl. Joh 14,6) handelnde und sich offenbarende
Gott ist. Gegenüber diesem Wahrheitsanspruch bezieht Pilatus die
philosophische Position der Skepsis, die die Zurückhaltung des Urteils
über die Wahrheit empfiehlt (vgl. Pyrrhon von Elis, nach Diogenes
Laertios 9,83f.).
Die skeptische Frage des Pilatus signalisiert sein Unverständnis
gegenüber dieser indirekten Infragestellung menschlicher Wahrheits-
(und Macht-)ansprüche. Wenn Pilatus im folgenden Gang des Geschehens
Jesus gelegentlich als König der Juden tituliert, spricht
er im Sinne des impliziten Lesers Wahres aus, wenngleich die Erzählfigur
Pilatus innerhalb des Textes den Königsanspruch Jesu zunächst
nur als lächerliche Anmaßung beurteilen kann.
18,38b-40 Die Passa-Amnestie
Barabbas wird als Räuber (lestes) bezeichnet, so
wie Josephus die Zeloten mit diesem Begriff bezeichnete. Sollte Barabbas
als Zelot, seine Wahl durch die Juden als Ausdruck der Entscheidung
zum Aufruhr gekennzeichnet werden? Historisch unrichtig würde die
Position der Juden mit der einer einzelnen Gruppierung im
Judentum identifiziert - allerdings unterscheidet sich das Johannesevangelium
hier nur wenig von sonstiger antiker Polemik.
19,1-7 Geißelung und Verspottung
Der durch die Dornenkrone und einen Soldatenmantel lächerlich
gemachte Jesus wird als der Mensch präsentiert. Nun wird
auch das Vorgehen der jüdischen Führungsschichten motiviert:
Es ist Jesu Selbstanspruch der Gottessohnschaft (vgl. schon Joh 5,18;
10,33).
19,8-16a Verurteilung
Die Furcht des Pilatus ist vordergründig die Furcht des Römers
angesichts eines unvermutet sich zeigenden göttlichen numen, dessen
Strafe für seine bisherige Mißachtung man zu gewärtigen
hätte. Die Antwort auf die Frage des Pilatus woher bist du?
weiß der Leser seit Joh 1; dem Pilatus wird diese Antwort nicht
gegeben. Der Evangelist nutzt statt dessen die Gelegenheit, sein theologisches
Verständnis der Rolle des Pilatus zu explizieren: Ihm ist diese Rolle
von Gott her zugedacht. Jenseits des irdisch Sichtbaren ist Gott der eigentliche
Herr der Geschichte (vgl. Dan 4).
Pilatus wird in V. 12 mit einem Argument in eigener Sache
unter Druck gesetzt: eine Freilassung Jesu bedeutet die Begünstigung
eines Aufständischen bedeuten; damit bringt Pilatus sich selbst in
Gefahr. Die Aussage wir haben keinen König ... benennt
auf der historischen Ebene korrekt die Machtverhältnisse; implizit
kann damit aber auch eine Distanzierung gegenüber dem Königsanspruch
Jesu verbunden sein.
19,16b-37 Kreuzigung und Tod
Nach johanneischer Darstellung trägt Jesus sein Kreuz selbst
(V. 17) und ist damit Vorbild für die ebenfalls zur Kreuzesnachfolge
geforderte Gemeinde.
Aus der lateinischen Formulierung Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum leitet
sich die auf vielen Kreuzesdarstellungen sichtbare Überschrift INRI
ab. Johannes verknüpft das aus Mk 15,32 bekannte Motiv der Distanzierung
von dem Königsanspruch Jesu unmittelbar mit der Kreuzesüberschrift.
Joh 19,25-27 dürfte in symbolischer Darstellung das Verhältnis
zwischen johanneischer Gruppe und sonstiger christlicher Gemeinde spiegeln:
Schnelle: die Gläubigen alle Zeiten sind an den Lieblingsjünger
als dem autorisierten Zeugen und Gründer der joh Gemeinde gewiesen.
Jesu letztes Wort Es ist vollbracht (Joh 19,30) zeigt mit
seinen Rückbezügen auf 4,34; 5,36; 13,1f.; 17,4: Das Heilswerk,
das Jesus im Auftrag des Vaters tut, ist in seinem - äußerlich
gesehen nur als Schandtod zu verstehenden - Sterben vollendet, in den
er mit Wissen und Willen hineingegangen ist.
Das sofortige Austreten von Wasser und Blut nach dem Lanzenstich kann
die Realität des Todes Jesu und damit antidoketisch seine unverkürzte
Menschheit belegen: Götter haben kein wirkliches Blut (Cicero, de
natura deorum I 49), und der Mensch verliert durch das Austreten des Blutes
sein Leben, vgl. Gen 4,10 etc. (weitere Belege bei U. Schnelle, Das Evangelium
nach Johannes, 293). In sakramentaler Deutung verweisen Blut und Wasser
auf die Eucharistie und die Taufe. Der Tod Jesu wird in seiner Heilsbedeutung
gesehen. Das Zeugnis des Lieblingsjüngers dient der Vergewisserung
der sakramentalen Praxis der johanneischen Gemeinde.
19,38-42 Grablegung
Die ungewöhnliche Menge der verwendeten Mischung von Myyrhe
und Aloe sowie die Bestattung Jesu in einem neuen Einzelgrab in einem
Garten sollen die Würde Jesu hervorheben.
20 Ostern
Die Ostergeschichten Joh 20 thematisieren auf je ihre Art die Unwiderruflichkeit
der neuen Situation der leiblichen Trennung Jesu von seinen Jüngern.
Dazu gehört auch, daß sich textintern Voraussagen aus dem Johannesevangelium
erfüllen. Dies soll textextern das Vertrauen der Gemeinde in die
Worte Jesu nach Johannes und die Einsicht in ihre Bedeutsamkeit bestärken.
20,1-10 Auffindung des leeren Grabes
Nicht die Polemik gegen die Juden ist in dem Wort sie haben
meinen Herrn weggenommen... kennzeichnend (so die Leichendiebstahlstheorie
Mt 27,64; 28,13), sondern die völlige Ratlosigkeit der Maria, das
Unverständnis.
Die Geschichte vom Wettlauf beim Gang zum Grab (zum traditionsgeschichtlichen
Hintergrund vgl. den textkritisch doch wohl ursprünglichen Vers Lk
24,12) stellt erneut Petrus und den Lieblingsjünger in Konkurrenz:
Petrus ist der erste Zeuge des leeren Grabes (zu den Traditionen der Ersterscheinung
vor Petrus vgl. 1 Kor 15,5; Mk 16,7; Lk 24,34), der Lieblingsjünger
kommt zuerst zum Glauben.
Mit der Gestalt des Lieblingsjüngers nimmt Johannes ... für
sich und seine Schule in Anspruch, das Christusgeschehen in all seinen
Dimensionen authentisch erkannt, geglaubt und bezeugt zu haben (U.
Schnelle, Das Evangelium nach Johannes, 301).
20,11-18 Jesus und Maria Magdalena
In Maria Magdalenas Weinen erfüllt sich Joh 16,20a (ihr Weinen
symbolisiert die Verunsicherung der Glaubenden in der Welt); in der Wiedererkenntnisszene
(Jesus ruft Maria beim Namen, erst daran erkennt sie ihn), erfüllen
sich äußerlich die Verheißungen Joh 10,3.27. Maria Magdalena
soll Jesus nicht anrühren: die Gemeinde muß ohne unmittelbare
persönliche Begegnung mit Jesus auskommen. Maria soll nicht den Jüngern
melden, daß Jesus auferstanden ist und bald auch ihnen erscheinen
werde; sie soll im Grunde nichts anderes sagen, als was Jesus selbst in
den Abschiedsreden seinen Jüngern sagte. Diese werden hier erstmals
im Johannesevangelium Brüder genannt (vgl. Mk 3,31-35; Röm 8,29).
Nun ist es Wirklichkeit geworden, daß sich die Liebe Gottes auf
Jesus wie auf die Seinen richtet (16,27; 14,21.23).
Daß sich nach Joh 16,20b die Trauer in Freude verkehren wird, ist
in Joh 20,18 impliziert, aber noch nicht gesagt; von der Freude der Jünger
ist in Joh 20,20b die Rede (sie sind ja auch die in Joh 16 Angeredeten).
20,19-29 Jesus vor den Jüngern. Thomas
Da wurden die Jünger froh ..., vgl. Joh 16,22. Die sichtbaren
Begegnungen Jesu mit seinen Jüngern sind im johanneischen Sinne Unterpfand
der bleibenden Gemeinschaft auch des nicht mehr greifbaren Jesus mit der
Gemeinde. In der Sendung der Jünger vollzieht sich das,
was der Leser in Joh 17,18f.20 angekündigt weiß. Die Gabe des
Heiligen Geistes (Joh 20,22) ist die Erfüllung der entsprechenden
Ankündigungen in den Abschiedsreden. Die Worte welchen ihr
die Sünden erlaßt... (V. 23) sind mehr als nur die Vorlage
einer liturgischen Formel. Gilt das Urteil der angeredeten Jünger
auch vor Gott, ist der Gemeinde die Entscheidung und Verantwortung darüber
aufgetragen, wer zu ihr gehören darf und wer nicht.
In V. 29 wird nochmals die neue Situation thematisiert: das zukünftige
leibliche Nicht-Sehen. Die Begegnung mit Thomas war das letzte Mal, daß
sich der Herr einem Jünger so handgreiflich zeigt.
20,31f. Buchschluß
In Joh 20,30f. wird die Zweckbestimmung des ganzen Johannesevangeliums
formuliert.
21 Nachtragskapitel
21,1-14 Jesus am See Tiberias
Vgl. Lk 5,1-11. Ähnlich wie in Joh 20,8 erkennt auch hier der
Lieblingsjünger zuerst, noch vor Petrus und den anderen Jüngern,
das Wesentliche. Das verweist wiederum auf den Selbstanspruch der johenneischen
Gemeinde.
21,15-19 Jesus und Petrus
Zur Betrübnis des Petrus vgl. Lk 22,62, zu seinem Auftrag vgl.
Joh 10; zu seinem Martyrium vgl. 1 Clem 5,5.
21,20-23 Petrus und der Lieblingsjünger
Offensichtlich hat ein rätselvolles Herrenwort (ich will,
daß er bleibt, bis ich komme) Erwartungen ausgelöst,
daß die Parusie noch zu Lebzeiten des Lieblingsjüngers stattfinden
werde. Daß er dann starb, mußte theologisch bewältigt
werden.
21,24-25 Zweiter Buchschluß
Der Lieblingsjünger wird mit dem Verfasser des Evangeliums identifiziert,
dieses als die authentische Verkündigung des Glaubens deklariert.
Theologie
der johanneischen Schriften
Ausgangspunkt der Darstellung ist die schon benannte
Situation der Gemeinde, daß sie um ihres Bekenntnisses zu Jesus
willen angefochten ist und mit Feindschaft von Seiten der Juden wie der
Heiden leben muß. Vor allem die Auseinandersetzung mit dem aus Dtn
6,4 resultierenden jüdischen Anstoß an der Verkündigung
über Jesus von Nazareth zwingt den Evangelisten zu einer entwickelteren
Ausarbeitung seiner Christologie. Von ihr aus ist die sachliche Einheit
des Johannesevangeliums zu verstehen.
Christologie
Um sich die Vielschichtigkeit johanneischer Christologie zu verdeutlichen,
kann man hier die spätere Unterscheidung zwischen Person und Werk
Christi wenigstens einführend als Orientierungshilfe nehmen: So soll
zunächst nach dem Verhältnis von Vater und Sohn gefragt werden,
sodann danach, worin Christi Heilswirksamkeit für uns eigentlich
besteht. Beide Fragen sind im Horizont der vorhin erhobenen Situationsschilderung
zu stellen.
Einheit von Vater und Sohn
Entscheidend ist dem Evangelisten, daß in Jesus tatsächlich
der Gott Israels am Wirken ist, und daß man in Jesus, und nur in
ihm, Zugang zum Vater hat. Die Einheit des Sohnes mit dem Vater (Joh 10,30;
17,11.20-23) ist eine Einheit des Wirkens (Joh 5,17) und des Willens (Joh
5,30; 6,38; 7,16-18; 8,29) und damit der Liebe des Vaters zum Sohn (Joh
15,9; 17,23-26). Der Sohn ist vom Vater gesandt (Joh 5,24 u.ö.) und
gibt kund, was er vom Vater gehört hat (Joh 3,34), und tut die Werke,
die er beim Vater gesehen hat (Joh 5,19) und ist der einzige Zugang zum
Vater (Joh 1,18; 5,37; 14,6). Für den Sohn zeugen die Werke, die
er tut, aber auch die Schrift (Joh 5,36-47).
Antidoketisch intendiert sind Aussagen zur Inkarnation (Joh 1,14), zur
Heilsbedeutung der Eucharistie (Joh 6,51-58) und zum Kreuzestod Jesu (Joh
19,28-30).
Christi Heilswerk
Jede erste Aussage zu einer Frage in einer literarischen Schrift
diesen Formates hat Gewicht, sei es, daß sie hinführend die
Weichen stellt, sei es, daß sie zusammenfassend vorwegnimmt, was
im einzelnen noch ausgeführt werden wird. Letzteres ist im Johannesevangelium
der Fall: Joh 1,29: Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der
Welt wegträgt. Man kann fragen, ob mit Sünden die vergangenen
Sünden gemeint sind, oder ob Johannes nicht schon hier auch die Sünde,
in Jesus nicht den Sohn Gottes erkennen zu wollen, mitbedenkt (vgl. zu
letzterem Joh 8,24; 15,22.24; 16,9) - Jesus sühnt selbst den Widerstand,
der gegen ihn gerichtet ist.
Sind in Joh 1,29 die vermuteten Anspielungen auf Lev 16 und Jes 53 nicht
so deutlich, wie manche Kommentatoren glauben machen möchten, so
sagt vor allem Joh 6,51 deutlich, daß die im Hl. Abendmahl thematisierte
Lebenshingabe Jesu für das Leben der Welt geschieht, in Joh 10,11
wird das Heilswirken des guten Hirten zugunsten seiner Schafe ebenfalls,
wenn auch griechisch anders, als Lebenshingabe formuliert, und zwar, wie
Joh 10,17f. klarstellt, als freiwillige und auch nicht durch äußere
Umstände aufgenötigte Lebenshingabe (vgl. schon Lk 13,31-33).
Deswegen wird die Passion im Johannesevangelium auch nicht verschwiegen
oder in die Unwirklichkeit gerückt: Das Johannesevangelium führt
von Anfang an hin zur Passion; daß die Tempelreinigung nicht am
Ende des irdischen Wirkens Jesu, sondern relativ früh erzählt
wird, soll dem Leser, der die synoptischen Evangelien und deren Einordnung
der Geschichte kennt, dies klarlegen: Jesu Weg ist der Weg zur Passion,
um der Welt willen. Joh 3,16 ist auf den kommenden Tod Jesu zu beziehen,
wie der Kontext Joh 3,14f. nahelegt. Und Jesu Wort es ist vollbracht
bezeichnet das Sterben am Kreuz als das Ziel und die Vollendung des Weges,
den ihn der Vater gesandt hat.
Das Heilsgut gemäß dem Johannesevangelium
ist in allgemeinen Wendungen wie Gotteskindschaft (Joh 1,12), Gnade (Joh
1,16), Frieden (Joh 14,27; 16,33), Freude in ihm (Joh 17,13), ewiges Leben
(Joh 6,40.51) formuliert, besteht aber spezifisch johanneisch in der Erkenntnis
Jesu und des Vaters (Joh 17,3), in der Teilhabe an der Einheit zwischen
dem Vater und dem verherrlichten Sohn, und u.a. in dieser Erkenntnis besteht
gemäß Joh 17,3 das ewige Leben. Dabei liegt hier keineswegs
eine Tautologie zu den zuvor genannten christologischen Aussagen vor,
denn die Erkenntnis der Einheit von Vater und Sohn impliziert für
die Gläubigen die Gewißheit der Übereinstimmung mit dem
Willen Gottes - wiederum ist das apologetisch gegenüber Israel wichtig.
Mit den Aussagen zur johanneischen Eschatologie betreten wir wiederum
ein Spannungsfeld.
Das Heil ist in Christus gegenwärtig (Joh 3,13-21; 3,31-36; 5,20-27;
12,44-50); mit Jesus ist die Stunde des Heiles da: (Joh 4,23; 5,25; 11,23-25).
Dabei beobachten wir eine Umprägung traditioneller eschatologischer
Termini: Leben ist nicht mehr nur zukünftiges Heilsgut, sondern gegenwärtiger
Besitz der Gläubigen (Joh 3,36). Entsprechend vollzieht sich das
Jüngste Gericht schon jetzt: eben, daß sich der Unglaube dem
Heilsangebot verschließt, ist das Gericht (Joh 3,18). Auferstehung
ist nicht mehr nur die Auferstehung am Jüngsten Tag, sondern die
gläubige Annahme des Wortes Jesu (Joh 11,25f.). Daneben stehen Aussagen
mit der traditionellen Zukunftserwartung: Joh 5,28f.; 12,48 sowie Joh
6,39.40.44.57 verheißen im jenseitigen Leben die Nähe zu Gott
gemäß jüdischer und christlicher Hoffnung der Auferstehung
für die Gerechten. Wenn man nicht Bultmanns Zuweisung der zuletzt
genannten Aussagen an eine spätere kirchliche Redaktion folgen will,
muß man versuchen, beides zusammenzufassen unter dem Gedanken, daß
da, wo ein Mensch zum Glauben an Jesus kommt, in der Tat das Entscheidende,
nämlich das auch in Ewigkeit Entscheidende geschieht.
Die Situation der nachösterlichen Gemeinde
und der Paraklet
Schon die ersten drei Evangelisten haben in den Abschnitten Mk 8,27-10,52
parr. die Situation der Gemeinde unter nachösterlichen Bedingungen
reflektiert und aus einigen Worten Jesu heraus in weiterführendem
Analogieschluß Weisungen für die längerfristigen Lebensverhältnisse
formuliert. Daß Jesus nicht mehr leibhaftig gegenwärtig ist,
wird im Johannesevangelium jedoch auch gerade nach seiner emotional verunsichernden
Seite hin thematisiert. Wahrlich, ich sage euch, ihr werdet Weinen
und traurig sein, die Welt wird sich freuen (Joh 16,20a) - wie oft
mag dies für den einzelnen Christen bittere Wirklichkeit gewesen
sein angesichts der erlebten Anfeindung um Jesu willen. Wo ich hingehe,
da könnt ihr nicht hinkommen (Joh 13,33). Diese bleibende Trennung
gilt selbst angesichts der Ostererfahrung: Maria darf Jesus nicht berühren,
und wir späteren Christen sollen glauben, ohne gesehen zu haben!
(vgl. Joh 20,29).
Doch ist die Gemeinde nicht ohne Schutz. Schließt Matthäus
mit der Beistandsverheißung Mt 28,20 sein Evangelium ab, so greift
auch Johannes in Joh 14,16 die Beistandszusage auf (ich will mit
euch sein). Beistandszusage ein altes biblisches Motiv, Gottes Beistand
zugunsten des Volkes, wie des einzelnen bezeichnend, vgl. Dtn 2,7; 31,6
auf das Volk bezogen, Ex 3,14; 31,23; Jer 1,8 auf Mose, Josua und Jeremia.
Johannes faßt die Erfahrung des Beistandes zugunsten der Gemeinde
in den Begriff des Parakleten. Das Wort bedeutet wörtlich der
Herbeigerufene und kann völlig profan den Anwalt eines Angeklagten
bezeichnen, dann außerhalb des Prozeßrechtes einen, der für
jemanden Fürsprache bei anderen einlegt. In diesem Sinne begegnet
das Wort im frühen Judentum für Engel, Patriarchen, Propheten
und Gerechte. Bei Johannes dürfen wir Kenntnis dieser frühjüdischen
Verwendung voraussetzen. Aber auch wenn wir völlig profan das Bild
des Verteidigers im Strafprozeß nehmen, hat das Bild seine theologische
Tiefe: der Verteidiger leistet das, wozu der Angeklagte in der Regel nicht
imstande ist. Mit dem Begriff Paraklet meint der Evangelist den Heiligen
Geist, der nach Jesu Tod dessen Stelle in der Gemeinde einnimmt: Er wird
bei ihnen bleiben und in ihnen sein (Joh 14,17); er wird sie alles lehren,
was Jesus sie gelehrt hat, und wird Jesu Worte unter ihnen gegenwärtig
halten (Joh 15,26); er wird der Welt sagen, was Sünde, was Gerechtigkeit
und was Gericht ist (Joh 16,8-11); er wird sie den Weg in der ganzen
Wahrheit führen. Es gibt eine unabgeschlossene Pluralität
menschlichen Zeugnisses von Jesus, dafür ist das Johannesevangelium
selbst ein Beispiel, das in Kenntnis der Synoptiker sein ei-genes Zeugnis
formuliert. Freilich muß das menschliche Zeugnis an Jesu eigenes
Wort zu-rückgebunden sein. Der Geist ist also die nachösterliche
Präsenzweise Jesu inmitten seiner Gemeinde.
Das Selbstverständnis der joh Gemeinde
Bedingung der Zugehörigkeit zur Gemeinde ist der Glaube an Jesus
als den Sohn Gottes (Joh 3,36) und den einzigen Gesandten Gottes (Joh
6,29), der das Wort Gottes in Wahrheit lehrt, des weiteren die Liebe zu
ihm (Joh 8,42). Das Tun des Willens Gottes erweist für den, der ihn
tut, daß diese Lehre Jesu eben von Gott ist (Joh 7,17). Die Gemeinde
hat die von Jesus oft und unft geforderte Erkenntnis vollzogen, daß
sein Wort und sein Werk nicht sein eigenes ist, sondern dessen, der ihn
gesandt hat, vgl. Joh 17,7f. mit den entsprechen Forderungen Jesu Joh
7,16-18 etc.
Die Gemeinde ist nicht von der Welt (Joh 17,16), sie ist von der Welt
unterschieden (Joh 17,9 - Jesus bittet nicht für die Welt!), wie
Christus selbst nicht von dieser Welt ist (Joh 8,23 vgl. 18,36). Ihr allein
hat Jesus sich offenbart (Joh 14,22), den Namen und das Wort Gottes offenbart
(Joh 17,6.8.22). Wer an Jesus glaubt, wird seine Werke tun, und wird noch
größere tun, damit der Vater in dem Sohne verherrlicht wird
(Joh 14,12f.): die Erfahrung der eigenen geistgewirkten Tat - ich formuliere
bewußt so paradox - ist für die Gläubigen Erweis ihrer
tatsächlichen Gottverbundenheit, das ist schon ein Motiv bei Paulus
(Gal 3,1-5).
Sie wird aber in die Welt gesandt, damit andere durch ihr Wort an Jesus
glauben (Joh 17,18.20), und diese Sendung ist in der Sendung Jesu durch
Gott begründet (Joh 20,21). Gottes Verkündigung in Jesus geht
nachösterlich weiter durch die Kirche. Sie erhält von Jesus
die Vollmacht zur Sündenvergebung und zum Behalten von Sünde.
Das rechtfertigt allerdings keineswegs kirchlichen oder gar klerikalen
Machtanspruch. Gemeint ist aber schon ein deutliches Ja bzw. Nein. Freilich
bleibt uns Vorsicht abverlangt! Die Kirche soll eins sein - darum bittet
Jesus -, genauso wie er selbst und Gott Vater eins sind (Joh 17,11.21-23),
damit die Welt erkenne, daß Gott selbst es war, der Jesus gesandt
hat, und daß Gott die seinen liebt, wie er Jesus geliebt hat. An
wen Johannes hier als nicht-eins denkt, sagt er nicht.
Auch der Jünger steht übrigens in der Gefahr, nicht zu verstehen
(Joh 13,8-10; 14,5.8-11.28; 16,17-19; 20,9.24-29; 21,21-23), Anstoß
zu nehmen (Joh 6,60-71) und zu versagen wie Petrus (Joh 13,36-38; 18,15-18.25-27)
oder Judas (Joh 6,64.70f.; 13,2.18.21-30; 18,2-5) oder alle Jünger
(Joh 16,32; vgl. auch 17,15). Gewiß sind die Jünger die
Seinen, aber gerade die Aufspaltung von Mk 14,26-31 in die Ankündigungen
Joh 13,36-38 und Joh 16,31f. zeigt redaktionelles Interesse. Die Mahnung
des Bleibens ergeht nicht umsonst (Joh 15,4f.). Der Jünger muß
ähnlich gemahnt werden wie zuvor die Juden, wenigstens um der Werke
Jesu willen zu glauben (Joh 14,10f.). Wie bei Markus und Lukas liegen
das tatsächliche Versagen des ungläubigen Teiles Israels und
das mögliche Versagen der Jünger eng beieinander. Und was in
Joh 14 und 15 als Blieben und Fruchtbringen angemahnt wird, ist in Joh
17 in der Fürbitte Jesu für die Seinen präsent - wiederum
ein Hinweis darauf, daß der Christ auch nach Johannes nicht für
sein Bleiben und Fruchtbringen garantieren kann.
Ethik im Johannesevangelium:
Johannes setzt, wie wir gesehen haben, in Joh 7,14 voraus, daß
Jesus einem Schriftgelehrten vergleichbar Weisung erteilt hat, und befrachtet
dies in Joh 7,16 mit dem höchst inhaltsschweren Satz Meine
Lehre ist nicht mein, sondern des, der mich gesandt hat. Wen jemand seinen
Willen tut, wird er erkennen, ob diese Lehre von Gott ist oder ob ich
von mir selbst aus rede. Überspitzt gesagt, ist in diesem Satz
die Ethik der synoptischen Tradition durchaus auch in der johanneischen
Gemeinde als verpflichtend gedacht. Das Johannesevangelium enthält
freilich weitere Formulierungen:
In der Liebe Jesu bleiben (Joh 15,9), bedeutet Frucht bringen (Joh 15,16),
Jesu Gebote halten (Joh 14,15.21; 15,9), u.a. das Gebot, einander zu lieben
(Joh 15,12.17), das hier ausdrücklich als »neues Gebot«
bezeichnet wird (Joh 13,34) und das erst einmal innerhalb der eigenen
Gemeinde gilt. Diese Liebe ist aber nicht einfach ein allgemeines Gebot,
das unverbunden neben den sonstigen johanneischen Gedanken stünde;
Joh 17,22f. und 13,34 sind zusammenzusehen, vor allem wird in Joh 17,26,
dem letzten Wort Jesu vor der Passion, der Zusammenhang zwischen dem gewünschten
Verhalten der Jünger und dem Wirken Gottes an ihnen hergestellt.
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