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Lektion 8: Paulus - eigener Versuch einer Gesamtdarstellung Forschungsgeschichtlicher
Überblick 0. Forschungsgeschichtlicher
Überblick Der folgende, notwendig unvollständig bleibende forschungsgeschichtliche Überblick soll mit einigen markanten Paulusinterpretationen bekannt machen und zugleich die Kriterien der eigenen Anordnung plausibel machen. Literatur zur Weiterarbeit: P. Stuhlmacher, Biblische Theologie des Neuen Testaments I, Göttingen 1992, 234-243; U. Schnelle, Transformation und Partizipation in paulinischer Theologie, NTS 47, 2001, 58-75. Bultmann: Paulus ist in den christologischen Aussagen traditionell, während in den anthropologischen Aussagen sein eigener Beitrag zur Theologie des NT liegt. Außerdem: Von Gott und auch von Christus handelt Paulus nicht in ihrem Wesen an sich, sondern so, wie beide für den Menschen, seine Verantwortung und sein Heil bedeutsam sind. Paulinische Theologie ist zugleich Anthropologie und paulinische Christologie ist zugleich Soteriologie. Darum ergibt sich als Gliederungsprinzip: Der Mensch vor / unter der Offenbarung des Glaubens, der pistis. Käsemann: Zentrum ist auch hier die Rechtfertigung des Gottlosen. Gerechtigkeit Gottes ist aber nicht nur als Gabe an ein Individuum verstanden, sondern als Macht, mit der der Schöpfer nach dem Geschöpf greift und sein Recht an seiner Schöpfung durchzusetzen sucht; Apokalyptik lässt sich bei Paulus nicht existential interpretieren, d.h. für die eschatologische Existenz des einzelnen Menschen interpretieren. Paulus hofft vielmehr den alsbaldigen Anbruch der Herrschaft Gottes über die Welt und die Erneuerung der ganzen Schöpfung, und er sieht auch sein eigenes Wirken, seinen eigenen Missionsauftrag in den globalen endzeitlichen Koordinaten. Paulus ist Apokalyptiker. Bornkamm: Bultmanns Einteilung wirkt nach wenn er nach dem Abschnitt „Paulus und die Chrsitusbotschaft der Urgemeinde“ die eigentliche Paulusdarstellung mit dem Thema „Mensch und Welt in ihrer Verlorenheit“ beginnt, und Prägungen durch Bultmann finden sich auch in Bornkamms Bestimmungen der Eigenart und des Inhaltes der pln Theologie. „Sie ist in solchem Maße von der Begegnung zwischen Gott, Mensch und Welt beherrscht, daß es streng genommen jene gesonderten Themen nicht mehr geben kann. Alles ist in das Generalthema, das Gericht und Gnade bedeutet, verwoben. ... Das aber heißt: Jede Aussage über Gott, Christus, Geist, Gesetz, Gericht und Heil ist immer zugleich eine solche über den Menschen inmitten seiner Welt, den alten, verlorenen, wie den neuen, von Gott befreiten Menschen“ (130). Kümmel: „Sowohl die Christusbotschaft wie die Heilslehre des Paulus lassen sich ... nur richtig verstehen, wenn man sieht, was vor allem A. Schweitzer gezeigt hat, daß Paulus grundlegend die Gegenwart als die Zeit des beginnenden endzeitlichen Heilshandelns Gottes sieht, mit anderen Worten, wenn man erkennt, daß Paulus wie Jesus vom Glauben an die Nähe der endzeitlichen Heilsvollendung ausgeht“ (126). Goppelt: Bultmann gibt paulinische Theologie als kerygmatische Anthropologie wieder, erfasst damit jedoch „vorwiegend nur die eine Seite, die Widerspiegelung der Offenbarung Gottes in der Existenz des Menschen, zu wenig diese Offenbarung selbst“; Kümmel selbst müsse eingestehen, dass der heilsgeschichtliche Rahmen „nicht der für Paulus selbst maßgebende Denkansatz“ (389) sei. Paulus gewinne diesen Rahmen erst durch eine Interpretation des Auftretens Jesu von der Schrift her. Deshalb will Goppelt „die paulinische Theologie von der Rezeption der Christusüberlieferung aus ... entwickeln“. Seine weitere Gliederung: Christologie – Das Weiterwirken Jesu (Verkündigungsgeschehen; Wirken des Geistes; Glaube) – Heilswirkung: Evangelium als die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes – Gestaltwerdung des Evangeliums in der Kirche. Stendahl: Paulus hat nicht das introspektive Gewissen des Westens, sondern ein robustes Gewissen; die Rechtfertigungsfrage ist die Frage nach der Möglichkeit des Zuganges der Heiden zum Heil. Sanders: Paulus hat ein Zerrbild des damaligen Judentums geliefert. Kennzeichnend ist für das Judentum die Struktur des Bundesnomismus: Der Mensch gelangt ins Heil durch Gottes Gnade, und er verbleibt im Heil durch seine Werke und dadurch, dass ihm, nach dem er gesündigt hat, unter Voraussetzung seiner Reue Gott die Sühne ermöglicht. Für Paulus sei nicht dieser Bundesnomismus, sei überhaupt nicht die juridische Terminologie das Wesentliche, sondern die partizipationistische Terminologie des Seins der Glaubenden in Christus, ihrer Teilhabe an Tod und Auferweckung Jesu Christi. Paulus ist nicht Apokalyptiker, sondern, wie Albert Schweitzer richtig gesehen hat, Mystiker. Strecker: „Seine Berufung zum Apostel führt Paulus auf eine ‚Offenbarung des Gottessohnes’ zurück, d.h. auf die Erkenntnis Christi, welche die Grundlage zu einem neuen Sein legt (Gal 1,16). Daher hat die Theologie des Paulus einen christologischen Ausgangspunkt. An ihrem Anfang steht weder eine Gottes- noch eine Schöpfungslehre, auch ist nicht vom paulinischen Gesetzes- oder Rechtfertigungsverständnis auszugehen“ (84). Dunn: Die paulinische Theologie ist vom Römerbrief aus darzustellen, denn dieser „is the most sustained and reflective statement of Paul’s own theology by Paul himself“ (25). Literaturtitel Ausgangspunkt der eigenen Darstellung ist das sog. Damaskuserlebnis, das als Offenbarung für Paulus die Evidenz unmittelbarer und unhinterfragter Gewißheit hatte. Das Damaskuserlebnis war nicht Bekehrung von einer Religion zur anderen, aber auch nicht nur Berufung zum öffentlichkeitswirksamen Dienst für eine Sache, die man auch schon vorher bejaht hätte, sondern Neuorientierung. Paulus wird zu einem messianischen Juden, bliebt aber der eigenen Identität nach Jude und wird nicht zum Heiden. Paulus bezeichnet seine Berufung in Gal 1,15f. als Offenbarung des Sohnes Gottes mit Beauftragung der Heidenmission, in 1 Kor 15,8 als Erscheinung des Auferstandenen. Die Offenbarung des Sohnes Gottes für den Apostel hatte die Konsequenz, daß Paulus die Christusverkündigung der Urgemeinde i.w. als von Gott bestätigt anerkannte. Gesetzt ist damit ein Mehrfaches: 1. Jesu Auferweckung verbürgt, daß der neue
Äon angebrochen ist. Nach ca. 2000 Jahren empfinden wir die Macht
dieses Gedankens nicht mehr unmittelbar; für Paulus war dies Gewißheit,
die man nicht unterschätzen sollte in ihrer Tragweite. Mit diesem Verständnis des Berufungsgeschehens ist auch die Begründung dafür gegeben, dass paulinische Theologie i.f. heilsgeschichtlich dargestellt wird. Dabei gilt es, darauf zu achten, ob der alte Äon unter seiner eigenen Perspektive oder unter der des neuen Äon in den Blick kommt, und was als Erkenntnis bleibt, und was korrigiert wird, aber so, dass die Korrektur aus jüdischen wie aus nachweisbaren christlichen Prämissen verständlich wird.
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