Lektion 8: Paulus - eigener Versuch einer Gesamtdarstellung

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6. Paulinische Ekklesiologie

1. Die Heiligkeit, 2. die Einheit der Gemeinde.

1. Daß die Ekklesiologie des Paulus tatsächlich zutreffend von der Konzeption der Heiligkeit aus erfasst wird, ist schon an den Briefeingängen sichtbar, aber nicht nur dort: Die Christen sind die Heiligen 1 Kor 6,1; 7,14; 16,15; 2 Kor 1,1; 8,4; 13,12; Phil 1,4; 4,22; Phlm 5.7; Röm 12,12; 16,2.15; die berufenen Heiligen 1 Kor 1,2; Röm 1,7; die in Christus Geheiligten 1 Kor 1,2. Kollekte wird oft einfach als Dienst an den Heiligen bezeichnet (1 Kor 16,1; 2 Kor 8,4; 9,1.12; Röm 15,25f.31).

Die Konzeption der Heiligkeit ist vom Wortfeld hagios aus zu entwickeln.

Die Heiligkeit Gottes selbst oder Jesu Christi ist zwar nirgends von Paulus explizit ausgesagt, ist aber in der häufigen Rede vom „Heiligen Geist“ ebenso mitgesetzt wie in dem passivum divinum „den in Christus Geheiligten“ von 1 Kor 1,2; Röm 15,16 und in der Warnung davor, die Reinheit der Gemeinde als des endzeitlichen Tempels aus Spiel zu setzen, was eine strafende Reaktion der Gottheit als des Herrn dieses Tempels nach sich ziehen könnte, in 1 Kor 3,16f., ferner da, wo Christus als unser hagiasmos, als unsere Heiligung (1 Kor 1,30) prädiziert wird, und da, wo der hagiasmos (1 Thess 4,7; Röm 6,19.22) oder die hagiosyne, die Heiligkeit gefordert werden (1 Thess 3,13; 2 Kor 7,1). Ähnlich verdient Beachtung, dass die Engel in 1 Thess 3,13; die Heiligen genannt werden. Daß die Forderung nach Heiligkeit der Gemeinde in der Heiligkeit Gottes begründet ist, ist schon alttestamentliche Einsicht, vgl. Lev 19,2: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig. In Qumran steht öfters als begründende Zwischenbemerkung: „Heilig ist Israel“. - An heiligen Dingen sind bei Paulus jedoch nur die heiligen Schriften (Röm 1,2) und die Thora mit ihren einzelnen Geboten (Röm 7,12) genannt; to hagion steht bei Paulus nirgends in der Bedeutung „Heiligtum“. Der Heilige Kuß (1 Thess 5,26; 1 Kor 16,20; 2 Kor 13,12; Röm 16,16, neben Paulus auch in 1 Pt 5,14 belegt) ist das Zeichen der Verbundenheit unter den Christen. Der Kuß ist ursprünglich kein erotisches Signal, sondern Signal der verwandtschaftlichen Zugehörigkeit.

Anders als die Apostel nach Eph 3,5 und die Presbyter nach IgnMagn 3,1 sind bei Paulus nirgends spezielle Funktionsträger, Amtsträger als „heilig“ bezeichnet.

Die Gemeinde ist der endzeitliche Tempel, die Stätte der endzeitlichen Gegenwart Gottes in der Welt (1 Kor 3,16f.). Von daher sind auch die Leiber ihrer Mitglieder Tempel des Heiligen Geistes (1 Kor 6,19). Der Topos der Heiligkeit der Gemeinde hat somit als Bewußtsein der Besonderheit auch Konsequenzen für den Alltag.

Die Heiligkeit der Gemeinde hat im einzelnen recht konkrete Auswirkungen. Sie wehrt der Überbewertung menschlicher Autoritäten (1 Kor 3), denn das Eigentumsrecht Gottes wird damit angetastet (1 Kor 3,16f. i.V. mit 1 Kor 3,5.22). Sie zielt allgemein auf das Ethos, die Leiber als lebendige, heilige Opfer hinzugeben Röm 12,1. Die Heiligkeit der Gemeinde hat ausweitende Auswirkungen auf die geforderte Gastfreundschaft Röm 16,2 sowie einschränkende Auswirkungen hinsichtlich der Wahrung der Gruppensolidarität (verlangt ist die Austragung von Streitigkeiten zwischen Christen innerhalb, nicht außerhalb der Gemeinde 1 Kor 6,1f.) und auf das Sexualverhalten ihrer Mitglieder (1 Kor 6,12-20 und von da aus 1 Kor 5,1-11).

Das semantische Gegenstück zu hagion, nämlich das Profane, das koinon, das im jüdischen Sinne dann auch Unreine, begegnet ein einziges Mal in den echten Paulusbriefen in Röm 14,14, und dort ist denn auch ein nicht vorhandener thematischer Bezug von Heiligkeit genannt: Essen und Trinken. Nichts davon ist durch sich selbst unrein, sondern es ist unrein für den, der es für unrein erachtet; Paulus urteilt hier erheblich anders als in den 1 Kor 5; 6,12-20 angeschnittenen Fragen. Nichts von Essen und Trinken ist durch sich selbst unrein Das muß nicht bedeuten, dass die Judenchristen in den paulinischen Gemeinden sich ihrerseits grundsätzlich von den jüdischen Speise- und Reinheitsvorschriften lossagen mussten, wie übrigens auch das Aposteldekret Apg 15,20.29 nur für die Heidenchristen gilt. Auch die eigene Lebenspraxis des Paulus ist angesichts von 1 Kor 9,20-23 („den Juden ein Jude werden“) schwer im einzelnen zu bestimmen. Freilich: Dem sog. Starken wird der Verzicht auf seine Stärke nicht aus Gründen der Heiligkeit, sondern der Rücksichtnahme auf das schwache Gewissen des anderen zugemutet.

Die Gemeinschaft am Tisch des Herrn, am Leib Christi schließt die Gemeinschaft mit Dämonen aus, ein Verstoß dagegen muß den Herrn reizen (1 Kor 10,14-22). Denn Gemeinschaft mit Gott ist Gemeinschaft mit dem Heiligen Gott. Darum kann in 1 Kor 6,13 die Gemeinschaft mit Christus, in 1 Kor 6,19 die geforderte Heiligkeit des Leibes, der als Tempel des Heiligen Geistes bezeichnet wird, den Gang zur Prostituierten verbieten; beide Begründungen sind kein Gegensatz.

Die Formel „in Christus“ ist von Adolf Deißmann lokal, von Friedrich Büchsel instrumental und kausal gedeutet worden; Fritz Neugebauer hat sie als Bestimmtsein von dem vorausliegenden Christusgeschehen“ verstanden. Die Formel meint wohl das „Einbezogensein in die Christuswirklichkeit“ (Strecker, ThNT, 127).

In der um das Konzept der Heiligkeit zentrierten Ekklesiologie wird ein weiteres Mal die Verwurzelung des Paulus im frühen Judentum erkennbar. Dies belegt schon die Selbstbezeichnung der Qumrangemeinschaft als „Männer der Heiligkeit“ (1QS V 13), als Männer der vollkomemmenen Heiligkeit (1QS VIII 20), als „Haus von Heiligkeit für Israel“ (1QS VIII 5) und „Stätte von Allerheiligstem für Aaron (1QS VIII 8f.), sowie die Bezeichnung „Mann der Heiligkeit“ (1QS V 18) für das einzelne Mitglied. Daß das Tempelmotiv auf die Gemeinde selbst übertragen wird, hat sein Vorbild in Qumran, vgl. 1QS 5,4-7; 8,4-8.8-10; 9,3-9; 11,8; CD 3,18-4,10.

Den Unterschied zwischen Heilig und Profan kannte man im Judentum, aber auch im Heidentum. Die Formel „Gottesdienst im Alltag der Welt“ sollte nicht vergessen machen, daß nicht die Profanierung des Sakralen, sondern die Ausstrahlung des jüdisch-christlich richtig verstandenen Sakralen auf das Profane die Aufgabe christlicher Existenz in dieser Welt ist.

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6.2. Das Motiv der Einheit der Gemeinde prägt 1. die Verwendung der Metapher „Leib Christi“ ebenso wie 2. den Verweis auf die agape (Liebe) und oikodome (wörtlich: Auferbauung; gemeint ist der gemeinsame Nutzen aller) als Handlungsmotivation des einzelnen wie 3. den konkreten Umgang des Paulus mit den Verschiedenheiten in der Gemeinde in der Frage, wer als Mitarbeiterin und Mitarbeiter fungieren kann, und in der Gestaltung der Feier des Herrenmahls.

6.2.1. Der Leib Christi. Früher hat man (Reitzentein, Schlier, Käsemann) hier die Prägung des Paulus durch gnostisches Denken sehen wollen: Die Christen sind Glieder des Erlöser-Äons: Sie sind durch ihre übernatürliche Herkunft dem erlösten Erlöser verwandt, der sie eben darum wieder zur Rettung führen wird. Doch ist ein solch ausgefeiltes gnostisches System wohl kaum schon Paulus bekannt gewesen. Man hat ferner auf den Gottesvolk-Gedanken verwiesen und auf frühjüdische Adamspekulationen, denen gemäß in Adam als Person die ganze Menschheit zusammengeschlossen sei. Inwiefern hier wirklich mythologische Spekulation zur Erklärung vonnöten ist, scheint mir eher zweifelhaft. Die Motivik „Der Körper und seine Glieder als Vergleich mit einer menschlichen Gemeinschaft“ hat in der Antike vielfältige Verbreitung gefunden und ist einer speziellen Auslegung wohl auch kaum bedürftig (Vgl. Curtius Rufus 10,61ff..; Epiktet II 5,24f.; Marcus Antonius VII 13); die Korinther konnten vor ihren eigenen Voraussetzungen her durchaus verstehen, was Paulus meint. Genannt sei nur ein Beispiel aus Livius. Er gibt die Fabel von dem Aufstand der Glieder des Leibes gegen den Bauch zum Besten, dem sie vorwerfen, daß er untätig sei und nur genieße; sie müssen aber einsehen, daß sie verkümmern, wenn er sie nicht ernährt. Mit dieser Fabel soll Agrippa Memenius Lanatus die auf den mons sacer ausgezogene Plebs i.J. 494 v. Chr. zur Rückkehr nach Rom bewogen haben (Livius, Ab urbe condita II 32f.).

Auch Paulus verwendet den Leibgedanken stets dazu, die Einheit der Gemeinde zu betonen. Kann er in 1 Kor 12,27 schreiben „ihr seid Leib Christi“, so in Röm 12,5 „ein Leib in Christus“. Die Gemeinde bildet also nicht realiter den Leib des erhöhten Christus, sondern es gilt: „Wir sind bei aller Vielzahl eine organische Einheit durch unser Bestimmtsein vom eschatologischen Heil (‘in Christus’)“. Wichtig ist, die Differenzen zur popularphilosophischen Verwendung des Bildes wahrzunehmen. Theißen bemerkt zu Recht: Wenn sonst innerhalb der Leib-Metaphorik ein Glied besonders hervorgehoben wird, so ist es z.B. der Kopf oder der Magen, d.h. die Glieder, von denen die anderen abhängig sind. Bei Paulus tritt an diese Stelle das schwache Glied .... Die schwächsten Glieder in der christlichen Gemeinde werden zum ausschlaggebenden Kriterium für das Verhalten aller“. Aber es heißt nicht, daß die Stärkeren für die Schwächeren sorgen sollen - das hieße ja den Letzteren wiederum absprechen, daß auch sie ein Charisma haben! An das gegenseitige Geben und Nehmen ist gedacht, und die sich selbst für vollendet haltenden Pneumatiker werden daran erinnert, wie sehr auch sie von dem Charisma ihrer christlichen Geschwister abhängig sind. Käsemann: Aufsatz „Amt und Gemeinde im Neuen Testament“.: Jeder Christ ist ein Charismatiker!

6.2.2. Das Streben danach, die Einheit der Gemeinde zu verwirklichen, wird konkret in dem Anliegen, den Aufbau und die Weiterentwicklung der ganzen Gemeinde zu fördern, was Paulus oikodome nennt. Sichtbar wird dies in mehrerem:

1. Charismen können und sollen dann aktiviert werden, wenn sie der oikodome dienen, und zwar im konkreten Hier und Jetzt. Sofern ein Nutzen für die christliche Allgemeinheit vor Ort und in der momentanen Situation nicht zu erkennen ist, sind selbst Dinge zweitrangig oder gar zu unterlassen, die an sich zu den Gaben des Heiligen Geistes gehören, nicht als Fehlverhalten zu beurteilen sind.

2. Das Miteinander verschiedener Lebensstile ist prinzipiell tragbar, weil jeder seinem Herrn verantwortlich ist. Das Miteinander des Divergierenden hat jedoch seine Grenzen an dem Anstoß, dem ein bestimmtes Verhalten einem Mitbruder bereitet, für den Christus gestorben ist. In solchen Fällen soll der Starke seine an sich richtige Erkenntnis nicht ausleben.

3. Einheit der Gemeinde bedeutet konkret, Auseinandersetzungen zu vermeiden (1 Kor 1 - 4; Phil 2,1-4; 4,2f.).

Wie trägt der einzelne zur oikodome bei: Indem er sich von der agape leiten läßt. agape heißt: Nicht das eigene, sondern das des anderen suchen. Der Begriff oikodome benennt ekklesiologisch, was agape individualethisch zum Ausdruck bringt. Wie ist zu ermitteln, ob ein Handeln aus agape heraus erfolgt? Eben daraus, ob es der oikodome dient oder nicht.

Insgesamt ist paulinische Ekklesiologie situationsbedingt eher restriktiv. Einerseits gibt es gewiß auch gute Ordnung gegenüber dem von uns zumeit bevorzugten Chaos. Andererseits:

1. Die Mahnung, das selbe zu sagen (1 Kor 1,10) bzw. zu denken (Phil 2,2) ist trotz der verständlichen Furcht vor den Spaltungen nicht ungefährlich. Wer legt den Inhalt des „dasselbe“ fest? Wer entscheidet über den- oder diejenigen, die das festlegen?

2. Wieweit darf oder muß die Rücksichtnahme auf das Gewissen des anderen gehen? Kann er nicht in seiner vorgeblichen Schwachheit zum Tyrannen werden?

Immerhin zeigen Mahnungen wie „Stellt euch selbst auf die Probe, ob ihr im Glauben steht“ (2 Kor 13,5) oder Warnungen wie „Wen jemand sich einbildet, er sei etwas, und ist doch nichts, betrügt er sich selbst“ (Gal 6,3), daß auch einer Offenbarungsreligion wie dem Judentum und dem Christentum die Selbstreflexion nicht einfach völlig fehlt.

6.2.3. Paulus reflektiert in seiner Ekklesiologie sehr wohl auch die soziologischen Fragen, die sich angesichts einer inhomogenen Zusammensetzung dieser Gemeinschaft stellen mussten. Die unterschiedliche religionsgeschichtliche und soziale Herkunft der einzelnen Gemeindeglieder wird in der Taufe irrelevant gegenüber der Tatsache, dass die Menschen aus dieser verschiedenen Herkunft in einen Christusleib hineingenommen wurden (1 Kor 12,13; Gal 3,28). Man pflegt diese Aussage je nach politischem Geschmack als reales Programm der Aufhebung dieser Unterschiede auch in der Welt zu feiern oder die geringe konkrete Nachwirkung dessen zu bemängeln oder aber als leider mit der paulinischen Praxis laut 1 Kor 7,17-24 („jeder bleibe in dem Stand, in dem er zum Christen berufen ist) in Widerspruch stehend zu bedauern oder aber auf den Bereich coram Deo einzuschränken. In der Mitte dürfte die Wahrheit liegen. Ob Paulus an eine Aufhebung des politischen Minderstatus etwa der Sklaverei gedacht hat, muß sehr fraglich bleiben, ebenso, ob er einem Sklaven empfohlen hat, die Möglichkeit der Freilassung von sich aus anzustreben. Einen Sklaven als Bruder in Christus anzuerkennen, konnte aber sehr wohl Folgen haben. Sklaven konnten in der christlichen Gemeinde erfahren, was menschenwürdiger Umgang bedeuten kann. Allein schon die Tatsache, dass Herr und Sklave an einem Tisch saßen, war nicht selbstverständlich. In der christlichen Gemeinde sollte das zumindest die Regel sein, und Paulus fährt scharf drein, wenn das unmöglich gemacht werden soll. Haussklaven konnten aber auch zu Dienstleistungen missbraucht werden konnte, die in den Bereich dessen fallen, was wir heute der sexuellen Selbstbestimmung des Menschen zuschreiben und dem Zugriff des anderen überhaupt entzogen sehen wollen: Von so manchem Mundschenk gilt: tota nocte pervigilat, quam inter ebrietatem domini ac libidinem dividit (Seneca, Ep. Mor. 47,8. In der christlichen Gemeinde war das nicht mehr zu befürchten. – Soziologisch nicht ungewöhnlich ist, dass Sklaven im Auftrag ihrer Herren selbständig unterwegs sind. Wenn Paulus an Philemon die Erwartung richtet, er möge Onesimos wenigstens zeitweise als Mitarbeiter für Paulus abkommandieren, ist dies, was die Tätigkeit des Sklaven Onesimos außer Haus angeht, nicht ungewöhnlich. Mustert man die Namenslisten vor allem in Röm 16 darauf hin durch, in welchen Schichten der römischen Gesellschaft welche Namen vertreten waren, zeigt sich, dass durchaus viele Sklavennamen vertreten sind. Die Theorie von Gal 3,28 ist also insofern bei Paulus auch selbst in Praxis umgesetzt, dass er Sklavinnen und Sklaven eigens der Erwähnung würdigt und vermutlich auch als irgendwie in der christlichen Gemeinde hervortretend kennt bzw. in einem Fall, Onesimos, selbst darum bittet.

Auch die Nivellierung der beiden anderen Differenzierungen in Gal 3,28, nach Geschlecht und nach Herkunft aus Israel oder den Völkern, lässt sich anhand der uns erkennbaren realen Verhältnisse verifizieren. An Frauen treten in dieser Zeit hervor: Phöbe (1 Kor 16,1f.), Euodia und Syntyche (Phil 4,2f.), Apphia (Phlm 2), sowie in Rom Priska, Maria, Junia, Tryphäna, Tryphosa, Persis sowie die Mutter des Rufus und die Schwester des Nereus (Röm 16), gleichmäßig auf paulinische wie nichtpaulinische Gemeinden verteilt. Auch was die Herkunft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Israel oder den Völkern betrifft, zeigt Röm 16 ein buntes Nebeneinander.

Was Paulus selbst vorlebt, will er aber auch von seinen Gemeinden praktiziert wissen. In diesem Zusammenhang kommt er auf das Herrenmahl zu sprechen – ein Umstand, dem wir jenseits der hierin versagenden Korinther immerhin die längste Parallele zwischen Paulusbriefen und Synoptikern verdanken. Der Grundgedanke ist sehr einfach: Im Herrenmahl findet die koinonia mit Christus ihren sichtbaren Ausdruck; ebenso soll aber auch die koinonia der Gemeindeglieder über alle Grenzen von Status und Reichtum hinweg anschaulich werden – gerade daran hatte es in Korinth gefehlt. Paulus zitiert als Antwort darauf in 1 Kor 11,23-25, wie wir sahen, eine den Korinthern bereits bekannte vorpaulinische Überlieferung, die formgeschichtlich als Kultätiologie zu bezeichnen ist, d.h. als ein Text, der die Entstehung eines bestimmten gottesdienstlichen Ritus erklären will, einen Text, den die Korinther möglicherweise aus ihren eigenen gottesdienstlichen Versammlungen kennen. Paulus zitiert sie hier nochmals im vollen Umfang, damit die Korinther den Ernst seines Anliegens begreifen, daß diese Überlieferung nun nicht mehr nur rezitiert sein, sondern auch die konkrete Gestaltung der eigenen Herrenmahlfeier prägen will (Wolff, 264). Warum Paulus diese Überlieferung zitiert, steht in 1 Kor 11,26: Sooft ihr von diesem Brot esst und von diesem Kelch trinkt, verkündigt ihr des Herrn Tod, bis dass er kommt. Worauf kommt es bei der Wendung „des Herrn Tod verkündigen“ an? Offenbar weniger auf die individuelle Sündenvergebung als auf die Stiftung einer neuen, verpflichtenden Gemeinschaft. Leib und Blut sind nicht, wie wohl nicht wenige der Korinther dachten, wunderbare Himmelsspeise, die dem einzelnen Anteil gewährt an den von der Kultgottheit ausströmenden wunderbaren physischen Kräften, sondern repräsentieren Jesu Selbsthingabe, die für die Korinther zur dienenden Selbsthingabe auch gegenüber dem geistlich schwachen und dann auch dem materiell armen Bruder führen soll. Ihr verkündigt den Tod des Herrn, der auch über euch selbst der Herr ist und bleibt. 1 Kor 11,27 zieht deshalb die Folgerung: Wer sich am Herrenmahl vergeht, vergeht sich am Herrn selbst. Der Gedanke von der Kirche als dem Leib spielt herein, außerdem der Gedanke, dass, wer sich an der Gottheit vergeht, mit ihrer Strafe zu rechnen hat. Gegenstand der in 1 Kor 11,28 geforderten Selbstprüfung ist die Frage, ob man den Leib des Herrn unterscheidet. Erst wenn man sich Rechenschaft abgelegt hat darüber, ob die eigene Art des Feierns dem Sinn des Herrenmahles entspricht, wie er in den Deuteworten expliziert und durch Paulus appliziert wird, kann man guten Gewissens feiern. Ein Ausgleich mit 1 Kor 4,4 erfolgt übrigens weder hier noch in V. 31f., ist auch nicht zu erwarten, weil der kritische Vorbehalt von 1 Kor 4,4 u. U. dazu führen könnte, daß diejenigen Gemeindeglieder, die es nötig hätten, auf solche Selbstprüfung verzichten. Wir sehen, wie selbst in grundlegenden Fragen der Anthropologie der Apostel je nach situativem Bedarf variieren kann.

„Wer unangemessen das Herrenmahl empfängt, setzt sich über die noch wirksamen Verderbensmächte in diesem Äon hinweg, er fühlt sich durch den Sakramentsgenuß im Eschaton und über den alten Äon erhaben, als ob ihm dieser nichts mehr anhaben könnte“ (140). Der Vers ist dann nicht eine unerlaubte Akkomodation in richt auf das magische Sakramentsverständnis der Korinther, sondern sagt, gegen dieses gewendet: Sakramentsgenuß bewahrt nicht vor den Folgen des göttlichen Gerichtes, wenn er unrecht ist. Doch zeigen V. 31f. einen Ausweg: Durch Selbstprüfung ist man dem Urteil entnommen, das die alte Welt trifft. Im Zusammenhang mit V. 28 ergibt sich: sofern man seine Einstellung zu dem Mitchristen bei der Herrenmahlfeier überprüft und entsprechend der Mahnung des Apostels sein Verhalten ändert, hat man Aussicht auf Verschonung im gegenwärtigen Gerichtshandeln.